Roman mit Playlist oder: Warum Musik in literarischen Texten durchaus eine Rolle spielen kann

Eine Playlist – die Auflistung von Musikstücken – in einem Roman? Was sich im ersten Augenblick merkwürdig anfühlt, ist im Grunde nichts Besonderes. So etwas gibt es gar nicht einmal so selten. Drei Beispiele dazu:

Der niederländische Schriftsteller Maarten ’t Hart (* 1944), vielleicht eher durch seine Krimis bekannt, von denen einige auch verfilmt wurden, hat auch ein Faible für klassische Musik, besonders für Bach und Mozart. Entsprechend findet sich viel Musik in seinen Erzählungen und Romanen wieder, so etwa in der Erzählung Concerto russe. Es geht darin um ein Musikstück von Édouard Lalo (1823–1892), einem französischen Komponisten, der zu Lebzeiten in seiner Heimat als Wagnerianer verschrien war, heute aber als wichtiger Wegbereiter des Impressionismus gilt. In dieser Geschichte kommt der Erzähler an einem Fenster vorbei, aus dem ein sinfonisches Stück erklingt, das er zu kennen glaubt und doch den Komponisten nicht benennen kann. Er versucht dem Besitzer der Schallplatte zu entlocken, wer der Komponist ist. Der sträubt sich aber lange. Dem Buch mit dieser Erzählung liegt eine CD bei mit der Lesung der Erzählung durch Christian Brückner und dem zweiten Satz aus dem „Concerto Russe“ von Lalo. In seinem Roman Das Wüten der ganzen Welt geht der Autor noch viel weiter. Der Roman ist gespickt mit musikalischen Zitaten. Im Mittelpunkt steht ein Mord und dessen Aufklärung, die sich über Jahrzehnte erstreckt. Der Protagonist Alexander beschäftigt sich intensiv mit klassischer Musik, was zu einer Playlist am Ende des Romans führt. Bach, Beethoven, Mozart, Schubert, Scarlatti, Bruckner, Reger, Fauré und Brahms sind vertreten. Es gab auch eine Ausgabe, die auf einer CD all die erwähnten Musikstücke enthielt, sie scheint aber inzwischen vergriffen zu sein.

Der Berliner Tom Liehr (* 1962) hat seinem genialen Erstling Radio Nights ebenfalls eine Playlist angehängt. Protagonist des Romans ist Donald Kunze, der seinen Traum, Radiomoderator zu werden, schon als Grundschüler fasst und zielgerichtet verfolgt. Er wird Starmoderator, dem scheinbar alles gelingen kann. Doch nur bei der Liebe ist der Erfolg nicht vorprogrammiert. Die Playlist des Romans enthält auch Klassiker einer anderen Art: Aerosmith, Cat Stevens, The Police, The Boomtown Rats, Tom Petty, Depeche Mode, Bruce Springsteen, Jackson Brown, Carly Simon, Bryan Adams – um willkürlich nur ein paar herauszugreifen. Der Roman ist, obwohl bereits 2003 erschienen, kein bisschen angestaubt und erfreulicherweise auch noch erhältlich.

Als ich 2010 mit meiner Kollegin Monika Detering (* verrät man nicht bei Damen) an unserem ersten Roman arbeitete, kam schnell ebenfalls Musik ins Spiel. Das war nicht geplant, ergab sich aber bald, da zwei der Protagonisten ein Faible für Musik hatten. Kristian „Krischan“ Peterson, erfolgreicher Industriefotograf, hatte in seiner Jugend intensiv Jazz gespielt und zeitweise sogar überlegt, ob er das zu seiner Profession machen soll, sich dann aber doch einer anderen künstlerischen Betätigung zugewandt. Die Skandalnudel Sonja hat eine natürliche Begabung und singt gern unter der Dusche und beim Spazierengehen. Zum Schluss bringt sie durch ihren Gesang den Sohn von Krischan dazu, zu bereuen, dass er mit ihr gebrochen hat, was ihm aber nichts mehr nützt. Der Roman Eine Insel für immer (der Arbeitstitel war „Hiddenseeblues“, was das Lektorat noch ganz gut fand, von der Marketingabteilung des Verlages aber verworfen wurde) erschien 2014 bei books2read und enthält im Anhang ebenfalls eine Playlist mit Erläuterungen zu den einzelnen Songs. Einer davon ist „Nobody Knows You When You’re Down and Out“. Die Version von Sara Niemietz könnte so auch von unserer Sonja gesungen worden sein.

Ihr

Horst-Dieter Radke

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