„Schreiben ist wie atmen – ohne geht halt nicht“

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Ein Interview mit Joan Weng

Es fragt: Ulrike Renk

Neulich war Joan Weng zu Besuch in meiner Küche. Der ideale Zeitpunkt, um ihr einige Fragen zu stellen. Also kochte ich ein kleines Essen*, ließ eine Flasche Champagner öffnen und rührte ein paar Gin Fizz zusammen. Joan ist seit April 2012 Mitglied bei den 42er Autoren und leitet unser Blogteam. Sie promoviert über „weibliche Schönheit in der Literatur der Weimarer Republik“ und hat schon den Hattinger Literaturförderpreis, den Wiener Werkstattpreis und den Goldstaub Preis der Autorinnenvereinigung sowie einige Stipendien erhalten.

Wenn du Aspekte des Schreibens als mehrgängiges Menü betrachten würdest, was wäre dann für dich das Amuse guele?

Der Gruß aus der Autorenküche. Die Blogbeiträge sind etwas für den kleinen Schreibhunger für zwischendurch. Sie kitzeln den Gaumen und machen Hunger auf das, was noch kommen wird.

Die Vorspeise?

Das sind die noch unveröffentlichten Texte, die auf kleiner Flamme köcheln und noch etwas werden können. Sie sind quasi auch ein Vorgeschmack auf die Hauptspeise.

Suppengang?

Sagen wir mal, dass die Suppe so etwas wie ein Text ist, der noch mal aufgewärmt werden muss. Das macht das Lektorat. Ich finde nämlich ein Lektorat total gut, weil jemand, der mehr weiß als ich und einen anderen Blick hat, sich den Text anschaut. Und wenn man ein richtig intensives Lektorat hat, dann wird aus der Suppe ein köstlicher Fond.

Fischgang?

Bei Fisch denke ich zuerst an -> ab ins kalte Wasser. Fisch und Meeresfrüchte sind geschmacklich eine spannende Sache. Spannend beim Schreiben ist es für mich, wenn ich Texte oder Exposés an Verlage oder an die Agentur schicke. Spannend im positiven Sinne, ich bin nämlich ein Glückskind. „Klappt schon“ ist mein Motto. Und mit der Agentur, die mich jetzt genommen hat, wird es noch besser. Es ist alles irgendwie furchtbar aufregend und ich bin sehr gespannt, wie sich das entwickeln wird.

Shot?

Ein Shot wird zwischen Fischgang und Hauptspeise gereicht, um die Geschmacksnerven zu neutralisieren. Für mich sind das Wettbewerbe und Stipendien. Das auch ein bisschen wie auf die Jagd gehen. Es macht Spaß und Jagderfolge sind wahnsinnig gut für das Ego (außerdem auch finanziell nicht zu verachten). Und es sind gute literarische Übungen, um mal wieder auf anderen Geschmack zu kommen.

Hauptgang?

Das ist natürlich die Buchveröffentlichung. Und die Promotion.

Käsegang?

Käse schließt den Magen, sagt man. Das ist ein wenig so wie der finale Lektoratsdurchgang. Man liest die Anmerkungen der Lektorin und denkt: Boah, ist die doof, die hat ja mal gar nicht verstanden, was ich sagen will. Noch deutlicher kann ich’s ja kaum machen. Aber dann kommt die Erkenntnis: Es stimmt schon, was sie sagt. Vielleicht nicht alles, aber manches. Und dann wird das Buch NOCH besser.

Dessert?

Das Dessert ist der süße Abschluss eines Menüs. Das Kochen und Servieren mag manchmal anstrengend gewesen sein, aber wenn die Teller geleert wurden und die Gäste begeistert waren, dann kommt noch der süße Abschluss, um es rund zu machen. Dann hat sich auch alle Mühe gelohnt. Das ist der Moment, wenn das Buch in der Buchhandlung liegt. Und darauf freue ich mich schon sehr.

Was ist dein Lieblingsgericht? Dein Lieblingsgenre?

  Wienerschnitzel mit Pommes.

 Krimi. Lesen und schreiben.

Dein Lieblingssüß?

 Wenn ich alleine bin: Eiermilch mit Vanillezucker. In Gesellschaft – vor allem mit meiner Freundin Krisky in Stuttgart: Dunkin Donuts. Und das ist dann auch so ein wenig wie der Chick-Lit, den ich jetzt schreibe. Krimi ist ein Hauptgericht, aber von Donuts wird man auch satt. Und manchmal muss man den Blutzuckerspiegel erhöhen.

Bist du Autorin oder Schriftstellerin und was bedeuten die Begriffe für dich?

 Autor – das klingt für mich ein bissle überkandidelt, als wenn jemand sagt: Ich bin „maître cuisinier“. Schriftsteller – das ist irgendwie ehrlicher, ein Koch halt. Jemand, der ein Handwerk ausübt und – das gehört natürlich auch dazu – ein Talent hat und gut abschmecken kann. Ich bin also lieber Schriftstellerin.

Was bedeutet kochen für dich? Was schreiben?

Kochen ist Ernährung. Deshalb auch notwendig. Ich koche gerne für Freunde. Aber noch lieber schaue ich jemandem beim Kochen zu. Schreiben – das ist für mich alles. Ich schreibe immer und überall, wollte schon immer Schriftstellerin werden. Es ist wie atmen – ohne geht halt nicht.

Junk-Food? Ja oder nein?

Junk – Food ist toll und muss zwischendurch immer mal wieder sein. Ich liebe diese lätschigen Pommes vom goldenen M. Das ist ein bisschen so wie Trashliteratur.

Eintopf oder mehrgängiges Menü? Roman oder Serie?

  Meine Mutter kocht den weltbesten Rosenkohleintopf. Das ist nicht zu toppen. Beim Schreiben steh ich auf Serie. Egal welches Genre. Bei mir wird vielleicht ein mehrgängiges Eintopfmenü heraus kommen, wer weiß.

Essen gehen oder selbst kochen?

Ganz klar: Selbst kochen. Ich schreibe ja auch selbst. Aber hin und wieder ist Essen gehen auch ganz schön. Oder Pizzaservice. Oder Fastfood im Bett essen. Also zuhause etwas genießen, was andere zubereitet haben. Deshalb sammele ich auch Zitate. Ich schreib‘ sie ab – aus Büchern, Zeitschriften, selbst so Sprüche aus der U-bahn oder so. Die schreibe ich auf Zettel und hänge sie in unserer Wohnung auf. Eine ganze Weile hing da: „Es ist ihr Leben und ihr Recht es wegzuwerfen“ (von Oats) und „Meistens geht’s mir gut mit dir“, „Blonde Göttin über dem U-bahnschacht“, „Ich würde die ganze Welt niederbrennen, wenn du mich nur lieben würdest“, „Er sah in den Spiegel und ein SS-Mann blickte zurück“, und mein absoluter Liebling: „Die Geschichte wird ein Monster aus ihm machen, aber für mich bleibt er ewig jener kleine, strohblonde Junge. Seid Milde in eurem Urteil, ich bitte euch.“ – auch im Badezimmer, auch neben der Toillette. Aber die musste ich abnehmen, das wurde meinem Mann dann zu literarisch auf dem Örtchen.

Ich bedanke mich ganz herzlich für den wundervollen Abend mit Joan Weng und hebe mein Glas Champagner auf die zukünftige Bestsellerschriftstellerin.

 

 

Und Joan Weng bedankt sich von ganzem Herzen für das wunder, wunderschöne Essen. Es war absolut köstlich! Aber ich muss gestehen, die geile Eissoße hab ich schon im Zug gefuttert…  Sei Milde in deinem Urteil, ich bitte dich 😉

*  Ulli/ Deutsch: ein kleines Essen – ein Acht Gang Menu u.a. bestehend aus Crostinis mit Merretich und Lachs, Wachteleiern mit Kaviar, herbstlichem Salat mit einem Ziegenkäse-Apfel-Türmchen, Petersielienwurzelessenz mit Haselnussklößen, Jacobsmuschel an einer Vanillie-Chili Reduktion [sooooo gut!!!], Ente Orange, orientalischer Rosenkohl, schwarze Möhren und Miniklöße und Schokoeis mit salzigem Erdnusskaramell.

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