Schreiborte (Teil 1): Und täglich sucht das Murmeltier…

Sonntagmorgen, 7 Uhr, die Frisur sitzt. Könnte ja jederzeit jemand vom Sonntagskurier klingeln und `ne Home-Story machen wollen. Ihr ahnt es bereits: Glatt gelogen, ist nämlich schon 7 Uhr 15. Egal, Fiktion darf alles. Jedenfalls ist es die perfekte Zeit zum Schreiben: Alles schläft, einsam macht … sich ein müder, aber hoffnungsfroher früher Vogel auf, um den tagesaktuell perfekten Wurm Platz zum Schreiben zu finden.

Auch nach knapp drei Jahren bin ich immer noch auf der Suche, denn der Ort, den ich täglich zum Schreiben nutze, der geht eigentlich überhaupt gar nicht! (Den Füllwortausbruch bitte ich in diesem Falle höflichst an seiner vorgesehenen Stelle zu belassen, unterstreicht er doch, wie überflüssig ich meinen Schreibort finde.) Im Grunde geht das Schreiben dort überhaupt gar nicht gut voran.

Was bisher geschah:

Ich schreibe nämlich meist in der Horizontalen – zu 70 Prozent im Bett, zu 20 Prozent auf der Couch, zu 10 Prozent im Ausland. Orthopädisch gesehen bedenklich, kreativ betrachtet denktödlich, organisatorisch hingegen durchdacht bis ins kleinste Detail.

Ich habe schon alles probiert, wirklich: Büros mit Aussicht, Privatgemächer ohne Aussicht, schallisolierte und facebookfreie Kabuffs mit weder Licht noch Wetter noch Verpflegung, neurotisch aufgeräumte Hotelzimmer ebenso wie mit Legoteilen verminte Kinderparadiese oder hoffnungslos unaufräumbare Reihenhausküchen. Ohne Erfolg. Taugt alles nichts. Zumindest nicht für Romanlänge. Höchstens fürs Vorwort. Und das schreiben eh meist andere.

Irgendwie, irgendwo, irgendwann…

muss ich doch einen ritualisierungswürdigen Schreibort finden. Eine Tastenoase, in der der Zeiger meiner nicht vorhandenen Armbanduhr eine Runde nach der anderen dreht; in der ich kaum vom Bildschirm aufblicke und selbst das Prokrastinieren vergesse; in der ich nie aufstehen und zwischen zwei Absätzen voll- krass-viel-wichtigere Dinge erledigen muss; in der die Romanmanuskripte quasi nur so aus meinem Hirn und meinem Laptop herauspurzeln.

So sitz ich hier, ich armer Thor…

… sonntags früh am Gartentor. Mit einem duftenden Kaffee in der Hand in der Morgensonne auf der Haustreppe und fange an zu schreiben. Es muss gehen, andere können es doch auch! Kraxeln deswegen sogar auf Burgruinen, um im lauen Sommerlüftchen auf einem Steinhaufen sitzend ihre Gedanken zu Papier oder auf den Bildschirm zu bringen. Läuft gut, höre ich immer wieder.

Und bei mir? Geht so. Mäßig. Irgendwie nicht mehr als semi. Irgendwann schieben sich das Gezwitscher der Vögel und das Gezwinker gegen die Sonne dermaßen in mein vorderes Gehirnareal, dass ich nicht mehr klar denken, geschweige denn schreiben kann. Da haben wir’s: Draußen geht gar nicht! Draußen nur Kännchen. Da nutzen weder ein florales Ambiente noch romantisches Froschgequake. Weder die Aussicht auf den Teich noch die auf Erfolg. Es blendet. Das muss einfach mal gesagt werden. Trotz Sonnenbrille, automatisch dimmbarem ‚High Tech Touch & Sun Set Super Mega Laptop Screen mit integrierter Weckfunktion für die Lieblingsserie und Lichtschutzfaktor 30‘. Wie soll ich tippen, wenn ich nicht sehe, was? Ist doch echt für die Tonne, das Ganze. Zumindest nix, das die Kunst nach vorne bringt.

Back to the roots

Also zurück in die Hütte und husch, ins Körbchen! Es muss ihn einfach geben, den perfekten Schreibort. Es muss einfach. Irgendwo da draußen. Oder besser drinnen.

Schauen wir uns morgen am Pfingstmontag meinen Indoor-Arbeitsplatz mit sonnenblendfreiem Blick genauer an: ein arbeitsmedizinischer Check gemäß Bildschirm- und Arbeitsstättenverordnung.

In diesem Sinne. Ich bin dann gezz wech. Die Hütte aufräumen. Könnte ja jederzeit jemand klingeln und den zweiten Teil des Blogbeitrags für morgen abholen.

Eure Claudia Kociucki

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Ein Gedanke zu „Schreiborte (Teil 1): Und täglich sucht das Murmeltier…“

  1. Orthopädisch gesehen bedenklich,wunderbar.
    Sonntagsmorgen, nach dem guten Frühstück im Schatten auf der Terrasse, jetzt im schattigem Büro,den Blog von Dir lesen, da lacht die Sonne geradezu ins Herz hinein. Köstlich.
    Einen passenden Ort finden? Für den Blog hat es doch gereicht.
    Einen ganzen Roman? Okay.
    Da habe ich schon tausend und eine Empfehlung gelesen.
    Bei Dir bin ich mir ziemlich sicher, Du kennst deinen Lieblingsplatz, willst ihn nur nicht verraten.
    Könnte ja dann Klingelalarm geben und schon isser wech.
    Sonnige Grüße innen Pott
    Gruß Amos

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