Schreibrituale, Teil 2: „Wie läuft’s denn so?“ (Zitat Flynn Rider)

Großwetterlage:

„Endlich sehe ich das Licht … und die Schatten zieh’n vorüber.“ Nein, das ist nicht die Wettervorhersage für das nördliche Ruhrgebiet am Ostermontag. Obwohl … vielleicht doch, es ist ja April, da weiß man nie – der macht ja bekanntlich, was er so denkt. Der schneit, hagelt, sandet, regnet, sonnt, stürmt und föhnt sich so durchs Leben.

Da ist sie auch schon, die Überleitung zum Thema. Wer sie zuerst entdeckt, darf sie behalten. Für alle anderen …

Über den Tellerrand geguckt:

In den gut zweieinhalb Jahren meiner bisherigen Schreibbiographie habe ich schon aprilmäßig alles (na ja: fast alles) ausprobiert, was als Schreibritual fungieren könnte:

  • Wie Dorrit Bartel habe ich mir den Wecker des Öfteren schon auf gähnendfrühe 6 Uhr morgens (manchmal auch noch früher) gestellt. War wenig von Erfolg gekrönt, da meine Betriebstemperatur nur von 8 bis 12 und dann wieder nach einer mediterranen Siesta abends bis nachts (manchmal einschließlich nachts) auf kreativen Hochtouren läuft.
  • Ulrike Renks Vorschlag von 1000 Wörtern am Tag habe ich ernsthaft angedacht, soll heißen: Ich bin das Ganze mal durchgegangen. Im Geiste. Mit Vollzeit-Brotjob und allerlei Aufgaben aus der Kategorie „Sonstiges“ ließ sich das aber weder hochrechnen noch runterbrechen. Zumindest komme ich damit nicht klar, mir täglich – nur um ein bestimmtes Pensum zu schaffen – etwas herauszuwürgen, das einfach an dem betreffenden Tag nicht in meinem kreativen Hirnareal angelegt ist. (Vielleicht leiht Ulli mir ja ihr Frettchen aus, das mir dann auch mal im Nacken sitzen darf.) Vielleicht ändert sich das mit der knallhart geplanten Produktivität aber auch, wenn ich neben dem Nagetier meinen ersten Roman im Nacken habe, denn bei Kurzgeschichten ist das (zumindest in meinem Fall) auch in der Soft-Variante lösbar.
  • Dann wären da noch Christoph Junghölters Gedanken zur aufgeräumten versus chaotischen Schreibumgebung (die in Kürze ebenfalls im Blog zu lesen sein werden). Das hab ich alles durch – sowohl in meinem wissenschaftlichen als auch in meinem belletristischen Autorenleben. Früher ging gar nix, wenn nicht alles tipptopp auf Kante gelegt und akkurat am Platz, ferner feucht durchfeudelt und frühlingsfrisch war. Wenn ich heutzutage darauf warten würde, käme ich zu gar nix. Nicht mal zum Aufstehen morgens. Fällt also flach. Da muss ich nehmen, was ich vorgesetzt bekomme (beziehungsweise was ich hinterlassen habe).
  • Mein neuestes Ritual-Experiment verdanke ich Joan Weng: Nagellack. Da ich seit ein paar Wochen keine Volleybälle mehr durch die Luft befördern muss, findet die ‚Fingerfarbe‘ auch Fläche zum Ausbreiten. Hebt den Geräuschpegel, weil die langen Nägel auf der Tastatur klackern, hebt aber auch immens die Stimmung. Und die muss ja schließlich stimmen.

Festgetackert:

Um festzuhalten, was ich bislang an Ritualen für mich festgehalten habe:

  • Wie auf meiner Homepage steht, schreibe ich „mit unleserlicher Handschrift, darum lieber an meinem Laptop“, weil ich sonst mittags schon nicht mehr wüsste, was ich morgens gekritzelt habe. So weit, so gut. (Außerdem tippe ich schneller, als ich schreibe. Und auch flotter, als ich überhaupt denken kann. Frei nach dem weisen Spruch: „Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich lese, was ich geschrieben habe?“)
  • Ferner führe ich immer ein Notizbuch bei mir, ich habe auch mehrere. Was nicht davor schützt, trotzdem in entscheidenden Momenten der Erleuchtung kein Blatt Papier zur Hand zu haben. Und da ich immer eher viel als wenig schreibe, ist die Sache mit dem berühmten Bierdeckel Käse.
  • Zu dem Zweck habe ich ein Diktiergerät geschenkt bekommen. (Wo hab ich das bloß? Früher war alles besser, weil aufgeräumter. Also das Leben an sich.)
  • Morgens (wenn ich nicht arbeiten muss) lese ich immer Korrektur, was ich tags und nachts zuvor geschrieben habe. Den Schund von gestern kann man ja nicht so stehen lassen (siehe gestrigen Beitrag.)
  • Dermaßen mental sortiert – äh: ausgepowert – gleite ich lückenlos in einen Prokrastinations- äh: Mittagserholungsschlaf ab oder gehe zum wichtigsten aller Schritte über:
  • Schreibfilm einlegen! Bei mir läuft keine Musik in Dauerschleife, sondern Rapunzel. Neu verföhnt. In Farbe, bunt und in allen Sprachen, die ich, Rapunzel, die böse Stiefmutter und der auf dem weißen Pferd dahergerittene spätere Prinz sprechen. So, jetzt ist es raus!

Nein, es gibt an dieser Stelle keine tiefenpsychologische Analyse, warum es gerade dieser Film sein muss und was Rapunzel (Gesundheit!) und ich gemeinsam haben. „Wann nur, ja wann nur, ja wann fängt mein Leben an?“ (Zitat Rapunzel) Die Quintessenz passt jedenfalls prima auf einen Bierdeckel: Immer dann, wenn ich schreibe.

In diesem Sinne. Ich bin dann gezz wech.

Eure Claudia Kociucki

 

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