Tanz um das Goldene Vlies

Schreiben zu Musik von Jürgen Block

Jon Lord – Gigue

Harfe, Schlagzeug und Holzbläser. Das kann nur eines bedeuten: Jason und seine griechischen Helden sitzen auf der Argos, bereit nach Kolchis zu rudern, um das Goldene Vlies zu rauben. Orpheus belebt mit lieblichen Harfentönen und begeisterndem Bläser-Gesang den Mut der Argonauten. (0:00 – 0:20) Flashback: Ich lag als Kind immer mit dem Bauch auf dem Flokati und las Gustav Schwab. Jetzt schnürt das Klavier aus dem Hafen von Jolkos, aber dann erhebt sich im Orchestertutti ein Sturm (0:20 – 1:56), bis die Argos mit leichtem Schlagzeug in den Hafen von Lemnos getrieben wird (1:56 – 2:23), und die Sologitarre uns die Geschichte von den Frauen auf Lemnos erzählt, die das ganze männliche Geschlecht ausrotteten, weil ihre Männer sie mit den geraubten Nebenweibern aus Thrakien betrogen und in die Eifersucht getrieben hatten. (2:23 – 3:39) Aber ganz ohne Männer fehlt dem Leben auch was, zum Beispiel: wer soll nun die Äcker pflügen und den Müll rausbringen? Die Helden hätten gerne noch lange bei den freundlichen Wirtinnen verweilt, aber Spaßverderber Herakles, der Feind weibischen Lebens, redet ihnen mit einem Orgelsolo ins Gewissen (3:39 – 4:00), so fahren sie mit Bewunderungen für die Lemnierinnen wieder ab. (4:00 – 4:28) Flashback: Ich zerbrach mir den Kopf, was um Himmels willen ein Vlies sei, um das alle Welt so ein Gewese macht. Mit einem Basslauf wird zum nächsten Abenteuer und zweiten Keyboardsolo übergeleitet. Sie landen bei Sonnenaufgang an einer weit ins Meer hinausgestreckten Landzunge und gehen vor Anker. Dort haust der König Amykos, der jeden Fremdling zum Faustkampf herausfordert. Pollux fühlt sich fit, nach einigen Akkorden im Stakkato ist der König zu Brei zerschlagen. Als Sieger haben die Griechen das Recht, unter den Viehherden dick Beute zu machen. Dann rudern sie weiter, mit gebrochenen Akkorden auf den Tasteninstrumenten nehmen sie Anlauf und mit Unterstützung von ordentlich Blech und einem Streicher-Glissando (6:02) rutschen sie glücklich durch die Symplegladen, das ist die Meerenge von zwei schwimmenden Felsen, die alles, was nicht schnell wie eine Taube ist, zwischen sich zermalmen. (5:40 – 6:11) Puh, nochmal gutgegangen. Zeit zu verpusten, die Harfe, was will uns Orpheus wieder sagen? Die Holzbläser antworten: Di-dü-del-di-dü. Hm, das könnte oben im Kaukasus das Jammern des Prometheus sein. Flashback: Ich kaute an gebratener Leber mit Kartoffelpüree. Hilfe! (6:11 – 6:30) Gottseidank, legt sich das Klavier wieder ins Zeug, die Argos nimmt Fahrt auf, Endspurt, Geigen, Tutti. (6:30 – 7:21) Tempowechsel. Die Helden gelangen ans Ziel, Kythia, die Hauptstadt des Kolcherlandes, wo das Goldene Vlies von einem furchterregenden Drachen bewacht wird. Mit leisen Beckenschlägen rudern sie den Fluss Phasis aufwärts, ankern in einer schattigen Bucht. Flashback: In einem Roman aus dem Bücherschrank meiner Eltern las ich, wie der Held das „Vlies“ seiner Geliebten bewunderte. Lesen fördert die Fantasie, so formte sich bei mir langsam ein Bild. Ob es auch golden ist? (7:21 – 7:40) Am nächsten Tag überschlagen sich die Ereignisse, während das Schlagzeug zu einem seiner gefürchteten Soli ansetzt: Jason bezwingt erzfüßige Stiere mithilfe Medea Stop König Aites bricht Wort Stop Vlies wird übertölpetem Drachen geklaut Stop Jason und Medea flüchten auf Argos Happy End. (7:40 – 10:15) Das Orchester haut noch mal richtig auf den Putz mit Tschingderassa Peng, Ritardando und Paukenschlag! (10:15 – 11:12)

Jason will mit Vlies und Frau nach Haus.

Aber die Gigue von Jon Lord ist jetzt aus.

Teilen: