Töchter und Väter

Ich stöbere in den alten Bücher von Amara George (digital) und finde in einem Buch aus dem Jahre 1856 (Blüten der Nacht) eine Widmung der Dichterin:

 

»Dem besten der Väter in unbegrenzter Liebe, Verehrung und Dankbarkeit zugeeignet.«

 

Der Vater von Mathilde Kaufmann (Amara George war ihr Pseudonym), Jakob Friedrich Binder (1787 – 1856), war von 1821 bis 1853 Erster Bürgermeister der Stadt Nürnberg. Zuvor hatte er Rechtswissenschaft an der Universität Erlangen studiert und war Untersuchungsrichter in Nürnberg. Er trug als Bürgermeister wesentlich dazu bei, dass die Eisenbahnlinie von Nürnberg nach Fürth gebaut wurde. Als 1828 Kaspar Hauser in Nürnberg auftauchte, wurde dieser von Binder persönlich verhört. Er schlug auch Georg Friedrich Daumer als Erzieher von Kaspar Hauser vor, den der Rat der Stadt Nürnberg dann einsetzte. Daumer war auch der Lehrer von Binders Tochter Mathilde. 1843 bekam Binder von der juristischen Fakultät der Universität Erlangen die Ehrendoktorwürde verliehen.

Und trotzdem gibt es kaum etwas in Nürnberg, was an ihn erinnert. In der Nähe des Pfarramts »St. Lorenz« gibt es die Bindergasse. Das war’s auch schon. Neben dieser öffentlichen Person gab es nämlich noch eine private, und die hat den Nürnbergern gar nicht gefallen. Binder trat 1853 von seinem Amt als Bürgermeister zurück, um einem Amtenthebungsverfahren zuvorzukommen, das aufgrund seines unmoralischen Lebenswandels gegen ihn eingeleitet werden sollte. Binder war Vater von zwölf außerehelichen Kindern.

Und trotzdem hält seine Tochter Mathilde (Amara George) in aller Öffentlichkeit zu ihm. Das finde ich stark. Und richtig.

Bis zum nächsten unmoralischen Blogbeitrag

Ihr Horst-Dieter Radke

 

 

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