Wer hätte das gedacht? Trotz Fußball-EM-Eröffnung zog es abends 35 Gäste in die Putlitzer Pfarrscheune; der Zuschauerblock war also erfreulicherweise gut gefüllt. Statt sich kickende Sportler auf dem heimischen Bildschirm anzuschauen, holten sich Einheimische, angereiste 42er, Preisträger und Mitgereiste den literarischen Kick ab.
Alles richtig gemacht, denn selbst die Fußballaffinen mussten wenig entbehren: So dauerte auch unser Spiel 90 Minuten, es gab eine Pause zur Halbzeit (inklusive Getränkeausschank) sowie Spannung bis zum Schluss.
Die diesjährige Moderatorin, Ulrike Renk, schickte folgende vielversprechende Aufstellung ins Rennen:
Das Spiel eröffnete der Schirmherr des Putlitzer Preises, der Gans Edle zu Putlitz. Er verdeutlichte die Internationalität des literarischen Turniers, indem er satirische Texte auf Bayrisch vorlas. (Der ‚Startspieler‘ kam auch am Ende noch einmal zum Einsatz und lieferte den Abschlussbeitrag zu dieser rundum gelungenen Lesung.)
Nachwuchsarbeit ist bekanntermaßen außerordentlich wichtig, daher freuten sich alle über das erstklassige Debüt von Jugendspielerin Jasmin, die souverän eine selbst verfasste Geschichte auf Plattdeutsch vortrug.
In der darauffolgenden Dreierkette standen drei Stammspieler der 42er Mannschaft auf dem Platz: unsere ehemalige GroVo und zuletzt Vizevorstandsvorsitzende Karen Lark, unsere neue GroVo Cordula Hamann und einer ihrer beiden stellvertretenden Kapitäne, Didi Neumann.
Karen Lark entführte uns gedanklich mit ihrer Kurzgeschichte „Fred“ in unsere Kindheit. Wer kennt es nicht, das Spiel mit den bunten Glasmurmeln? In der Story geht es darum, dass Fred einmal bei seinem speziellen Murmelritual von Oke überrascht wird. Oke entdeckt die eine besondere Murmel und will sie Fred abnehmen, aber in einem Gerangel verschwindet sie. Am nächsten Tag feiert Fred sein Ritual wie immer und behauptet, er habe die Murmel einfach verschluckt. Ob das stimmt? Der Erzähler glaubt es jedenfalls nicht. (Karen hat übrigens während der Lesung fleißig fotografiert, daher hat sie uns von sich selbst leider kein Foto liefern können – aber: Es gibt eins aus dem Vorjahr, und zwar das mit der kultigsten aller Taschen, um die wir Karen beneiden. Alle.)
Cordula Hamann, seit der MV in Flensburg im Mai unsere frisch gewählte 42er „Spielkapitänin“ (GroVo), stellte ihr Buch „Die Leihtochter“ vor. „Wenn das Glück nicht zu einem kommt, muss man es kaufen“, so beginnt die Beschreibung dieses dramatischen Familienromans über einen unerfüllten Kinderwunsch mit unabsehbaren Folgen. Der Ausschnitt, den Cordula uns vorlas, ging unter die Haut: Leihmutter Katharina und ‚Bestell‘-Mutter Eva treffen sich in der Klinik unmittelbar nach der Geburt. Katharina ist sauer auf den Kindesvater und überlegt kurz, ob sie Eva verraten sollte, dass es Zwillinge geworden sind und wie die Kinder tatsächlich zustande kamen. Sie entscheidet sich dagegen, weil sie das zweitgeborene Mädchen nicht mehr hergeben möchte, trotz Ehekrachs mit ihrem ‚gehörnten‘ Ehemann Rolf, der nun im Dorf den Vater des zweiten Zwillingsmädchens spielen muss.
Dieter H. Neumann hatte vor ein paar Wochen noch unsere jährliche Mitgliederversammlung in Flensburg ausgerichtet und wir 42er hatten in dem Zusammenhang das bezaubernde maritime Ambiente der Förde und der Stadt genießen können. Umso spannender war es nun für uns, den ‚Tatort‘ von Didis nagelneuem Flensburg-Krimi zu kennen und ein Stück aus „Tod auf der Rumregatta“ zu hören, dem dritten Band seiner Helene-Christ-Reihe. Am Kai, wo wir Tage zuvor noch selbst vor Anker gelegen hatten, liegt in der Geschichte nun die Leiche eines jungen Afrikaners. In der Nähe des Toten wird ein betrunkener Tatverdächtiger aufgespürt. Ist die Tat rassistisch motiviert oder geht es vielleicht um Drogenschmuggel? Während im Roman die gute Stimmung beim jährlichen Segelevent in Flensburg getrübt ist, ist die Laune des realen Putlitzer Publikums wegen des lebendigen Vortragsstils des Autors ungebrochen.
Nach der Halbzeitpause wurde ich selbst, Claudia Kociucki, dann eingewechselt. Aufs – beziehungsweise ins Feld führte ich eine zweiteilige Thrillererzählung, in der es um einen Mann und eine Frau geht: beide Jäger, beide Jogger. Ich las den zweiten Teil, der die Begegnung der beiden aus Sicht des Mannes darstellt. Da die Geschichte im Wald spielt, hatte ich einen ‚Rotkäppchenkorb‘ mit kleinen Gastgeschenken fürs Publikum mitgebracht: Jeder erhielt im Anschluss den kompletten Textabdruck – so fiel die Perspektive der Frau im ersten Teil der Erzählung nicht unter den Tisch.
Als letzte 42erin des sehr abwechslungsreichen Leseabends nahm unsere vormalige GroVo Ulrike Renk hinter dem Lesetisch Platz. Nachdem sie sehr heiter und mit vielen Analogien und Beispielen aus der Fußballwelt durch den Abend geführt hatte, präsentierte sie nun – ebenfalls sehr gekonnt – den dritten und letzten Teil ihrer Trilogie rund um die australischen Schwestern. „Das Versprechen der australischen Schwestern“ fasste Ulli so zusammen: Die drei Schwestern werden erwachsen. Und wie erwachsen sie werden! In der Textstelle ging es um Unaussprechliches, Ungeheuerliches, Undamenhaftes und Unerlaubtes. Da macht man sich gar kein Bild … Obwohl – doch! Ulli gelang es, mit den Dialogszenen das Kopfkino so richtig laufen zu lassen. Wer wissen will, welche Tipps und Taktiken eine erfahrene unverheiratete Verwandte zu bieten hat und warum frisches Obst und Gemüse so wichtig für junge Menschen ist, der lese hier nach.
Zu erwähnen bleibt noch, dass ‚Platzwart, Green Keeper und Volontäre‘ im Vorfeld in der Scheune und im Garten unermüdlich gearbeitet hatten, um eine rundum gelungene Veranstaltung zu ermöglichen. Vielen lieben Dank dafür, ihr seid der Hammer! *La Ola-Welle*
Jetzt muss das Runde aber ins Eckige, sprich: ich ins Bett, mich vom Putlitz-Wochenende erholen. Ich bin dann getz wech. Aber: Nach dem Spiel ist ja bekanntlich vor dem Spiel.
In diesem Sinne.
Ihre und eure
Claudia Kociucki
(Die Fotos schoss Karen Volkmann-Lark – bis auf das ihrer eigenen kultigen Tasche: das ging in der letzten Saison auf das Punktekonto von Patricia Holland Moritz.)