Überwintern für Autoren – Winterkind

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Ich bin im Winter geboren. Vielleicht liegt es daran, dass ich die kalte Jahreszeit mag. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich einfach immer genug warme Sachen zum Anziehen hatte und daher prinzipiell keinen Grund für schlechte Laune sehe. Winter, das heißt für mich: schneebedeckte Straßen und Häuser, Spaziergänge in Mütze und Schal. Auch heute noch freue ich mich wie ein kleines Kind über die ersten Schneeflocken. Der Winter hat für mich nie den Schleier des Wunderbaren verloren. Ein bisschen Schnee und schon betrete ich das Wunderland.

Den ersten Schneefall dieses Jahres habe ich vormittags in der Schule, während der Arbeit, zusammen mit einer siebten Klasse bestaunt. Wir sind alle sofort ans Fenster gestürmt und schauten hinaus (ok, ich habe mich ein bisschen gebremst, ich bin ja schließlich der Lehrer und Gemessenheit gehört bei uns quasi zum Berufsbild). Wir ‚mussten‘ dann auch noch nach draußen und damit herumspielen. Das war so ein Reflex, es musste einfach sein.

Ja, ich bin ein Winterkind, schon mit elf oder zwölf Jahren bin ich dick vermummt im Schnee spazieren gegangen. Einfach so, ein bisschen herumlaufen und träumen. Das habe ich erst vor ein, zwei Jahren für mich wiederentdeckt. Ich gehe überhaupt viel spazieren, nicht nur im Winter, und dieses Bedürfnis kann mich praktisch zu jeder Tages- und Nachtzeit heimsuchen. Ob ich ihm folge, hängt auch von meinen aktuellen Arbeitszeiten ab – aber nur ein bisschen. Es gibt Leute, die finden es merkwürdig, wenn jemand mitten in der Nacht vor die Tür geht, da läuten bei vielen die Alarmglocken. Spinnt der? Schickt ihn seine Frau zum Rauchen vor die Tür? Geht er fremd? Und so weiter. Ich kann die Gedanken der Nachbarn und deren in der Jackentasche ausgestreckten Zeigefinger förmlich riechen.

Mir ist das egal, ich vermumme mich wie schon als Kind und „drehe eine Runde“. Wenn es geschneit hat, ist das besonders schön. Die veränderte Akustik, wenn der Schnee einen Teil der Geräusche schluckt, das Knirschen unter den Schuhsohlen und das Geräusch von den Reifen der vorbeifahrenden Autos. In der Nacht das Mehr an Helligkeit, weil der Schnee das Mondlicht reflektiert. Ich muss dann manchmal aufpassen, dass ich nicht nostalgisch werde, denn ich bin der festen Überzeugung, dass wir im Ruhrgebiet früher viel schneereichere Winter hatten. Schneedecken von über zehn Zentimetern waren keine Seltenheit. Ich erinnere mich an Schneeballschlachten in der Straße, bei denen man den Schnee nicht erst mühsam zusammensuchen musste, es lag einfach überall genug. Schlitten fahren konnte man praktisch in allen städtischen Parks, jeder kleinere und größere Abhang wurde genutzt, es gab die „Todespiste“, eine kurze, fast senkrechte Minipiste am Rand des Südparks. Da fuhren die Älteren. Wir waren zufrieden mit der breiteren, flacheren „Familienpiste“, ihren harmlosen Sprüngen und dem kurzen Auslauf, den man zum Bremsen nutzen musste, wollte man nicht im eiskalten Bach landen. Winter ist und bleibt herrlich, egal ob man schreibt oder nicht, doch wer Inspiration sucht, der gehe nach draußen, der Spaziergang hält sie bereit. Man sollte die Jahreszeiten genießen, wie sie eben sind. Genau betrachtet, bleibt einem ja auch gar nichts anderes übrig. Der eine hat seine Freude, der andere eine Ausrede für schlechte Laune. Jeder ganz, wie er mag. In diesem Sinne: Viel Freude! 🙂

Ihr Christoph Junghölter

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