Urlaubslektüre – Von Weltuntergang, SuB und LuB

Als vor ein paar Jahren mal wieder Weltuntergang angekündigt war, fragte mich eine Freundin, was ich bis dahin tun würde, wenn es ganz sicher wäre, dass die Welt untergeht. Ich musste nicht lange überlegen: Ich würde mich in die Hängematte legen und lesen. Ab und zu vielleicht auch mal schlemmen, mit Freunden feiern oder Sex haben, aber die meiste Zeit würde ich lesen.

Nun ereignete sich vor einiger Zeit etwas, was für manche Leute eine Art Weltuntergang wäre: Ich verlor nach vier Jahren Befristung meinen Job. Einzelheiten erspare ich Ihnen, nur so viel sei verraten: Ich bin zufrieden mit dem Timing, denn so habe ich zwar in diesem Sommer keinen Urlaub, aber jede Menge Zeit. Selbst wenn ich die Zeit abziehe, in der ich Bewerbungen schreibe oder mich irgendwo vorstelle und die, in der ich versuche, einen eigenen Roman zu schreiben, bleibt mir viel Zeit. Und weil ich keinen Zweifel daran habe, dass irgendwo da draußen ein neuer Job auf mich wartet und wir uns treffen werden, wenn die Zeit dafür reif ist, zelebriere ich bis dahin ein Lesefest.

Bei mir um die Ecke gibt es einen kleinen, ehrenamtlich betriebenen Büchertauschladen, an dem ich immer vorbeikomme, wenn ich einkaufe oder zur Post muss. Ich habe es noch nie geschafft, an den Kisten vor dem Laden einfach vorbeizugehen. Und wenn ich einmal anfange, Bücher anzusehen, schaffe ich es auf gar keinen Fall, kein Buch mitzunehmen. Immerhin bringe ich alle paar Wochen ausgelesene Bücher zurück. Da ich nämlich in meinem Leben oft umgezogen bin und das meist allein, habe ich erstens ein Faible für leichte Möbel, die ich selbst bewegen kann und zweitens irgendwann beschlossen, nie mehr als etwa einhundert Bücher besitzen zu wollen und mich ansonsten an Bibliotheken oder ähnliche Einrichtungen zu halten. Den Weg vom Büchertauschladen nach Hause hüpfe ich beinahe – die Vorfreude auf Bücher ist noch dieselbe, die ich als Kind hatte.

Und dann lese ich. Ernste Romane, lustige Romane, alte Romane, neue Romane, manchmal Kurzgeschichten und neulich sogar mal einen historischen Roman. Endlich habe ich das wunderbare „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf gelesen und „Die Australierin“ von Ulrike Renk. Sogar von Tom Liehr habe ich etwas gelesen, obwohl ich bislang immer dachte, der schreibt nur für große Jungs. Ich habe „Isabel“ von Feridun Zaimoglu gelesen, nachdem ich an mehreren anderen Werken von ihm kläglich gescheitert war. Weil ich in meiner Jugend aus verschiedenen Gründen niemals eine Stephen-King-Phase hatte, habe ich die jetzt nachgeholt und war positiv überrascht, weil ich bislang gemeint hatte, diese Art von Büchern sei nichts für mich. Noch ein Irrtum, den ich aufklären konnte. Allerdings ist meine Stephen-King-Phase schon wieder vorbei, als ich mit „Es“ endlich fertig war, war ich ganz erleichtert. Mal ehrlich, das zieht sich zum Ende, finden Sie nicht?

Zwischendurch fand ich heraus, dass meine Krimiphase vorbei zu sein scheint oder zumindest pausiert. Ich las Margret Atwoods „Die Unmöglichkeit der Nähe“, eine Dreiecksgeschichte, deren Konstellation ähnlich ist wie die, die ich selbst gerade in einen Roman meißle. Ich holte Klassiker wie Jane Austen, Graham Green und Thomas Mann nach.

Gelegentlich bin ich überrascht, wie viele Bücher es noch immer gibt, von denen ich hörte, man solle sie gelesen haben. Oder über die ich las und dachte: Oh, das will ich gern lesen. Ich bin überrascht, denn ich habe in den letzten vierzig Jahren, also seit ich lesen kann, schon eine Menge Bücher gelesen. Und noch immer wächst mein SuB – Stapel ungelesener Bücher. Ich bin inzwischen dazu übergegangen, eine LuB – Liste ungelesener Bücher – anzulegen und habe den vor allem unter Autoren verbreiteten Seufzer „Mein SuB wird immer größer“, entsprechend abgewandelt. Wenn mein Lesefest irgendwann endet, wird es jedenfalls nicht daran liegen, dass mir der Stoff ausgeht.

Einzig bei Konsalik habe ich gestreikt, den hatte ich auch nur mitgenommen, weil er immer mal irgendwo als abschreckendes Beispiel herumgeistert. Nach zwanzig Seiten wusste ich, warum und legte das Buch auf den Stapel derer, die wieder zurückgehen. Das Leben ist zu kurz, um schlechte Bücher zu lesen. Aber für gute lohnt sich jede Minute. Gerade bei Weltuntergang.

Ihre Dorrit Bartel

 

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2 Gedanken zu „Urlaubslektüre – Von Weltuntergang, SuB und LuB“

  1. …..wenn es ganz sicher wäre, dass die Welt untergeht….ob und wann die Welt untergeht, das ist nicht festgeschrieben,stellenweise sieht es schon ziemlich übel aus, so auf der Welt. Die Hängematte und die anderen Dinge, die Du beschreibst, solltest Du sofort aktivieren, man weiß ja nie.
    Gruß Amos

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