Von Freunden, solchen die im Regal stehen und solchen, die Regale schleppen

Meine 17 Bücherkisten und ich sind umgezogen, seitdem habe ich einen rückenkranken Ehemann und keine Freunde mehr.

Nein, im Ernst, nach der zehnten Kiste begann ich, mich selbst zu fragen: Brauchst du all diese Bücher wirklich? Die Antwort war ein gellendes: JA!

Außerdem hatte ich schon schweren Herzens vier Kisten à 25 Kilo bei momox verkauft, also wirklich nur das Allerallerwichtigstes behalten.

Aber brauchte ich all diese Bücher auch in gedruckter Form?

Gut, die Bildbände und Graphic Novels, die leben von der Druckqualität der Zeichnung – man denke nur an den Aufstand der amazon-Rezensenten, als Carlsen Comics den legendären Blacksad angeblich in China hatte drucken lassen. Auch all meine Kunstbücher, die brauchen Farbe – Daniel Richters „Die Palette“ in Schwarz-Weiß oder fire HD Qualität, also das kann ich mir einfach nicht vorstellen und ich muss zugeben, ich weiß nicht einmal, ob es das gibt.

Aber die Romane! Natürlich, meine alten Lieblinge wie Kohners „April entdeckt die Männer“ oder Massies Kaisertrilogie, die gibt es gar nicht in digitaler Form, doch die Pratchetts, Christies, Hemingways etc. die schon. Brauche ich die tatsächlich im Regal, reicht es nicht, sie auf dem Kindle zu besitzen? Ja, hätte ich sie auf dem Kindle nicht sogar immer dabei? Jederzeit lesebereit, nur einen Griff entfernt?

Den Gedanken fand ich durchaus reizvoll – ich habe auf dem Kindle eine ganze Reihe von Büchern, die ich einfach dabei haben muss.

Kennen Sie dieses Gefühl? Sie sitzen im Zug und irgendetwas sagt Ihnen, dass Sie nun einfach die Brüder Karamasow lesen müssen? Sie müssen, müssen, müssen es einfach tun und Sie wissen, erst wenn Sie beispielsweise die Parabel vom Großinquisitor zum tausendsten Mal verschlugen haben, werden Sie wieder klar denken können?

Das ist keine Frage des Wollens, das ist ein Grundbedürfnis, das keinen Aufschub duldet! Wie dankbar bin ich in solchen Momenten um meinen Kindle.

Dankbar um seinen Besitz bin ich beispielsweise auch, wenn ich im Rahmen der Routineuntersuchung quälend langweilige zwanzig Minuten bewegungslos am Wehenschreiber liegen muss und nicht wirklich umblättern könnte oder auch wenn ich nachts nicht einschlafen kann, aber kein Licht machen will, um meinen Mann nicht zu stören.

Und wenn demnächst der neue Odo und Lupus ausschließlich im E-Book erscheint, dann grenzt meine Dankbarkeit vermutlich an Euphorie!

Während meine armen Freunde die fünfzehnte, sechzehnte und siebzehnte Kiste in der neuen Wohnung wieder ausluden, da war ich wild entschlossen, Bücher zukünftig nur noch in digitalter Form zu kaufen. Eigentlich ist das gedruckte Buch doch tot! Nur Idioten sammeln heute noch diese Staubfänger und faseln über den herrlichen Geruch frischer Bücher, das romantische Knacken beim Aufschlagen eines neuen Buches. Die Zukunft gehört dem E-Book!

Man denke auch nur an all die Platzersparnis und nicht zuletzt an den Umweltaspekt. Dazu die Geschwindigkeit des Kaufes, kaum gesehen, schon in meinem Besitz und billiger sind E-Books obendrein!

Ich war begeistert und entschlossen, mindestens drei Tage lang. Dann merkte ich, keine zehn Gehminuten von unserer neuen Wohnung ist ein Buchladen, ein ganz kleiner, inhabergeführter. Man muss den Einzelhandel doch unterstützen, oder? Und denken Sie an den köstlichen Geruch eines ganz neuen Buches, das verheißungsvolle Knacken beim ersten Öffnen und wie schön, es dann im Regal stehen zu haben, ein Freund, der einen erwartet, zu dem man heimkommen kann, vielleicht schon ein wenig angemackt und staubig, aber so treu …

Ihre Joan Weng

P.S.: In diesem Rahmen noch einmal DANKE an alle die geschleppt haben – besonders aber an Jochen, Jana, Raffie, Kessy und meinen Mann! Ihr seid mir zum Anfassen auch lieber als in digitaler Form 😉

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