Von Köchinnen und Küchen

Kochen und Schreiben scheint irgendwie gut zusammenzupassen. Zu diesem Ergebnis muss man kommen, wenn man sich meine beiden Vereinskolleginnen Stefanie und Ulli ansieht. Genauer gesagt: deren Küchen. Die beiden Räume haben eines gemeinsam: Atmosphäre. Es sind Küchen, die an eine glückliche Kindheit denken lassen. Eine Kindheit mit Nachbarn, deren Wohnung man ohne anzuklopfen über den gemeinsamen Garten betrat, wie in einer Kommune aus den 1960ern. Wenn man über die flache Holztreppe aus dem Garten in die Wohnung stieg, stand man erstmal in der Küche. In offenen Regalen lagerten Töpfe und Pfannen, allerlei Kistchen und Kästen voller Gewürze verbreiteten ihren unverwechselbaren Geruch, Geräte und Besteck schienen nur kurz aus der Hand gelegt, nichts war wirklich aufgeräumt worden, auf dem vollgekrümelten Tischtuch fand sich immer mindestens eine ungespülte Tasse. Die Küche als Lebensmittelpunkt.

Genauso eine Küche hat Steffi auch. Als sie ihren Geburtstag feierte, war der Raum voller Leute, ein großes Buffet war aufgebaut und auch hier fanden sich Kistchen und Gläser mit Gewürzen und Zutaten, hoch oben in einem Regal wartete ein Wok auf seinen Einsatz, die zugehörigen Stäbchen standen in der Nähe der Zuckerwatte-Maschine. Dies war kein Durchgangsort, den man betrat, um sich das nächste Bier zu holen, das man im Wohnzimmer trinken wollte, nein, die Leute lehnten am Kühlschrank, belagerten das Essen oder standen einfach mitten im Raum, quatschten, tranken und aßen in so einer Küche aus der Kindheit. Und irgendwie hatte man auch das Gefühl, die Gäste sind alle Nachbarn, was aber zahlenmäßig nicht sein konnte. Aber das Gefühl. Das Gefühl war da.

Bei Ulli wiederum verhält es sich folgendermaßen: Ihre Küche ist seit Renovierung und Umzug etwas ordentlicher geworden, jedoch hat sie zum Glück mit der Aufräumerei nicht übertrieben und es ist immer noch genug Chaos übrig, um sich wohlzufühlen. So wie Ullis Küche waren auch die Abende, die ich darin verbracht habe. Meist waren 42er unter den Gästen. Das war gut. Manchmal war schönes Wetter und ich fuhr mit dem Motorrad hin. Das war noch besser. Aber am Besten war: Ulli hatte gekocht. Das war einfach nur fantastisch. Ulli kocht mit Herzblut. Neben frischen Zutaten, Gewürzen wie aus einem orientalischen Märchen ist vor allem eins im Topf (oder wahlweise in der Pfanne): Leidenschaft. Dazu gehören selbstgemachtes Brot und selbstgemachte Butter, Gemüse aus dem eigenen Garten und sorgsam ausgewählte Zutaten. Was mich jedes Mal verblüfft, ist, dass Ulli selbst an diesen Abenden überhaupt nicht zu essen scheint. Ich muss sie bei Gelegenheit mal fragen, ob sie an diesen Abenden hungrig schlafen geht, ob es ihr vielleicht wirklich „nur“ ums Kochen geht. Mit „Kochen“ ist hier nicht die Herstellung von Nahrung gemeint. Kochen scheint für Ulli vielmehr eine Ausrede zu sein, um sich mit netten Menschen zu treffen, mit ihnen zu plaudern, anzustoßen und bis spät in die Nacht am Küchentisch zu sitzen.

Ob das alles beim Schreiben hilft? Keine Ahnung. Da ich nicht koche, kann ich die Frage nicht beantworten, man muss die beiden schon selbst fragen.

Ihr Christoph Junghölter

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