Was sind eigentlich Exposés? Und womit bewirbt man sich bei Verlagen?

Viele Autoren sagen, ein Exposé zu schreiben, sei das Schwierigste überhaupt an der Schreibarbeit.

So entschuldigen sie auch ihre grauenvollen Exposés (btw – ich bin auch kein Meister, was das angeht … aber habe schon ein wenig Übung).

Was soll ein Exposé nicht leisten?

Es soll kein Klappentext sein, kein Anreißer, es soll nicht neugierig machen.

NICHT?

Nein. Denn der Verlag soll erkennen können, was das Buch wirklich bietet und ob er eine Verkaufschance sieht. Verlage sind nicht die Leser, Verlage sind Firmen, die verkaufen möchten. Punkt. Schlechte Ware gibt es zu Hauf, gute wird gesucht. Ein Exposé ist also eine technische Hilfe für den Verkäufer. Das gilt genauso für eine Agentur. Sie möchte keinen Teaser, keinen Appetizer, sie möchte schlicht Information. Und sie möchten wissen, wie die Geschichte endet, wie der Fall ausgeht, wer der Mörder ist und wie das aufgelöst wird.

Ein „Wird XYZ es schaffen?“ ist nicht der passende Schlusssatz eines Exposés.

Das Exposé sollte den Kern der Geschichte wiedergeben, die wesentliche Handlung, das, was beim Leser hängen bleibt (oder bleiben soll).

Ich weiß, dass es Lektoren und Agenten oft genügt, als Exposé zwei, drei Absätze zu bekommen, die den einen Haupterzählfaden einer Geschichte wiedergeben, wenn nötig einen Vergleich zu vorhandenen ähnlichen Werken bringen und (wichtig!) die Unterschiede und UPS („unique points of sale“ – die herausragenden, besonderen Eigenschaften dieses Textes im Vergleich zu anderen) benennen.
Grundsätzlich gilt:
– der Autor sollte genau wissen, was er für wen schreibt (ohne dass   eine Zielgruppe namentlich benannt werden muss)

– der Autor sollte genau wissen, welche Erwartung seine Leser haben und diese Erwartungen im Text erfüllen

– der Autor kennt seinen Text, weiß, wie dieser sich von den anderen seines Genres unterscheidet und wo er Regeln des Genres befolgt (ohne dass „Regeln“ benannt werden müssen!)

– das Thema ist eindeutig, klar, mit wenigen Worten erfassbar (es handelt sich nicht um eine allgemeine Stellungnahme zu Gesellschaft, Politik, Füllhöhen von Waschmaschinen und der Rolle der Frau im Kontext wechselnder Staatsangehörigkeiten, die ganz nebenbei das Wissen des Kamasutra und eine Abhandlung über Außerirdische beinhaltet),

– das Buch lässt sich entsprechend in ein denkbares Verlagsprogramm einordnen, es muss hierfür nicht eine neue Kategorie geschaffen werden.

Meist reicht man auch eine Leseprobe ein. Diese sollte nicht aus dem zwanzigsten Kapitel bestehen, weil es dann erst wirklich spannend, schön, romantisch, blutrünstig, fesselnd wird, sondern aus dem Anfang und den ersten zwanzig bis fünfzig Seiten. Wenn es erst ab Kapitel zwanzig – wahlweise aber auch zwei oder drei – spannend, lustig, interessant usw. wird – wozu hat der Autor dann die Kapitel davor geschrieben?

Eine Leseprobe besteht also aus den ersten Kapiteln und

–   die Geschichte ist spannend, interessant, fesselnd erzählt, der Autor hat alles getan, um Langeweile zu vermeiden, er hat nicht hundert Subplots mit jeweils eintausend Subsubplots verwoben, um eine möglichst „dichte Atmosphäre“ zu erzeugen (und den Leser nach drei Seiten völlig zu schaffen)

– der Autor hat ausreichend Abstand zum eigenen Werk, um mit erheblichen Änderungsvorschlägen, Kürzungen oder Verlängerungen leben zu können, er sieht sein Werk als Produkt, das so optimal wie möglich vermarktet werden soll, nicht als Lebensinhalt und nicht als „künstlerisches Selbstporträt“.

–  der Autor sollte die grundsätzlichen Regeln der Rechtschreibung beherrschen.

Außerdem – der Autor sollte in der Lage sein, seinem Expose, seiner Vita und seiner Leseprobe, die er als Mailanhang verschickt, einen individuellen Namen zu geben. Einfach nur VITA, EXPOSE, LESEPROBE machen, dass manche Machwerke in den Überschreibprogrammen des Computers verloren gehen oder schlicht im Papierkorb landen.

DAS KANN DOCH NICHT SO SCHWER SEIN, HERRSCHAFTSZEITEN!

Der geneigte Leser dieses Blogbeitrags sieht eine verzweifelte Lektorin, die gerade eine Möglichkeit sucht, Anhänge zu speichern, ohne jeweils neue, fantasievolle Namen vergeben oder gar neue Dateiordner anlegen zu müssen. Grmpf.

Ihre Ulrike Renk

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5 Gedanken zu „Was sind eigentlich Exposés? Und womit bewirbt man sich bei Verlagen?“

  1. Wenn man diesen Beitrag gelesen hat, kann man sich hunderte Seiten in den verschiedensten (sündteuren) Ratgebern zum Thema Exposé sparen. In seiner Deutlichkeit, Klarheit und Kürze sagt er alles, was zu diesem Thema wichtig ist. Klasse, Ulli!

    PS: Das sollten alle Agenturen und Verlage als Handout an ihre Autoren weitergeben!

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