Wenn Trakel planscht und die Wanderhure wandert

Hemingway war – glaube ich – ganz sportlich, der hat gerne geboxt und gefischt und gejagt ja sowieso. Von Schiller und Goethe weiß ich es nicht, die sind zwar bestimmt mitunter viel geritten, aber mehr so im Rahmen der Fortbewegung denn der Leibesertüchtigung. Colette reiste überall mit so einer Art Crosstrainer hin und Tolstoi unternahm gern ausgedehnte Spaziergänge, nur dann wird es irgendwie recht dünn: Mir fällt beispielsweise nicht ein sporttreibender Expressionist ein. Von Georg Trakel gibt es zwar ein Foto im Badezeug, allein sein missmutiger Blick legt den Verdacht nahe, dass er nicht plant, im nächsten Moment 1000 Meter zu schwimmen oder das von ihm eher so ablehnend bis skeptisch betrachtete Wasser überhaupt zu betreten. Stehen tut er auch vorsichtshalber im Trockenen…

Bei den Autoren der Weimarer Republik sieht es kaum besser aus – trotz des sportbessenen Zeitalters. Vicki Baum wurde zwar medienwirksam im Boxen trainiert und selbstverständlich dabei abgelichtet, gestand aber später, das sei nur ein Publicity-Gag gewesen, sie sei maximal Seil gehüpft. Remarque, Kästner, Fallada, die kann ich mir vielleicht noch irgendwie heimlich, fern der Öffentlichkeit sportelnd vorstellen, aber spätestens bei Joseph Roth hört es auf! Der hasste schon Spaziergänge und ich bezweifle ernstlich, dass Egon Erwin Kisch die Zigarette lang genug aus dem Mund lassen konnte, um mal geschwind einen kleinen Sprint hinzulegen. Die Exilliteraten? Die hatten eh andere Sorgen und böse gesagt: Wer nichts zu futtern hat, wird auch nicht dick, wer nicht dick wird, muss auch keinen Sport treiben. Die Modernen und Postmodernen? Grass, Böll, Frisch, Jelinek im Joggingzeug? Sorry, dafür reicht meine Fantasie nicht. Und bei den Trivialautoren, da sieht es kaum besser aus: Bei „Die Wanderhure“ wird vermutlich, der Titel legt es nahe, viel gelaufen, aber auf die Verfasserin hat sich das kaum übertragen …

Wie wir 42er Autoren das halten, dem widmen wir uns an den kommenden Sonntagen und starten gleich morgen mit dem Beitrag eines Gastautoren. Man darf gespannt sein! 😉

Viel Spaß beim Lesen wünschen

Joan Weng und das gesamte Blogteam

 


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