Wer nach Rezept kocht, ist feige

Ich schreibe, also bin ich Schriftstellerin.

Aber – es gibt zwar Esspapier –  Schreiben allein macht nicht satt. Wenn Sie jetzt glauben, in diesem aufschlussreichen Beitrag ginge es um Finanzen und Gewinn – weit gefehlt. Es geht um Autoren und KOCHEN!

Schreiben ist eine ziemlich einsame Angelegenheit, selbst dann, wenn man das Glück hat,  Mitglied in so einem grandiosen Verein wie den 42er Autoren zu sein. Die Autoren hat man ja nicht immer alle um sich.

Ich für meinen Teil brauche hin und wieder das pralle Leben jenseits meines Schreibtisches. Und mit prallem Leben meine ich nicht den Alltag mit meinen vier lebhaften Kindern – nein, ich meine GÄSTE. Gäste, die ich bekochen kann.

Schreiben ist mein Beruf, Kochen ist mein Hobby.

Natürlich muss ich jeden Tag meine hungrige Meute abfüttern, das hat dann nicht viel mit Hobby zu tun. Aber manchmal, alle paar Wochen, lade ich mir Freunde ein. Und dann wird gekocht, was das Zeug hält. Ich liebe es. Meine Freunde schätzen es auch sehr, Absagen gibt es nur im schweren Krankheitsfall und ich habe keine Mühe, die Tafelrunde zu füllen. Und das, obwohl sie alle wissen, dass ich sie mit endlosen Tiraden über mein aktuelles, das nächste und das vorherige Buch zulabern werde. Vermutlich schalten sie alle auf Durchzug und genießen das Essen.

Kochen ist sinnlich und erotisch, Kochen hat ganz viel mit Kreativität zu tun und mit Logistik. Ein gutes vier oder fünfgängiges Menü muss sorgsam geplant werden. Es soll eine Reise durch die verschiedenen Geschmackswelten sein, es soll aufeinander aufbauen, sich steigern, ohne dass ein Gang den nächsten erschlägt. Alle Geschmacksknospen (außer Ekel) sollte angesprochen werden: weich – knusprig, süß – sauer, fruchtig – scharf.

Das Auge isst mit, deshalb sollte nichts auf einen Teller geklatscht werden – man kann auch schön anrichten. Je mehr Gänge man macht, desto kleiner sollten die Portionen sein. Etwa siebenhundertfünfzig Gramm isst man bei einer Mahlzeit (nicht einem Gang) – außer man ist Bauarbeiter oder gehört zur Verwandtschaft.

Ich liebe es, zu planen, zu verwerfen, neu zu planen, einkaufen zu gehen und schließlich zwei oder drei Tage in der Küche zu stehen und zu kochen. Der Tisch (wir haben einen 1*2 Meter Esstisch, den man auf 3 Meter verlängern kann) wird gedeckt und geschmückt, Kerzen aufgestellt. Herrlich.

Sehr oft werde ich anschließend nach Rezepten gefragt, oder der Wunsch kommt auf: Kannst du das-und-das nochmal so kochen? Da stoße ich allerdings an meine Grenzen. Wer nach Rezept kocht, ist feige. Außerdem besitze ich keine Küchenwaage.

 

Und dann gibt es noch die Feten, die Partys, die Feiern, die meist in der Küche enden. Bei uns fangen sie auch dort an, wir haben eine große Wohnküche und ein winziges Wohnzimmer.

Einmal hatte ich eine ganze Meute Autoren zu Gast – alles 42er. Es waren etwas mehr als 42 Leute. Wunderbar! Ich machte meinen allseits beliebten Flimmerkistenschmaus – einen Fileteintopf der zwar so aussieht, als sei er schon mal gegessen worden, aber fantastisch schmeckt. Ein Teil der Kollegen und Freunde sind Vegetarier – kein Problem, da findet sich etwas. Vielleicht ein schönes Gratin? Aber dann wurde mir bewusst, dass drei der Gäste tatsächlich Veganer Stufe fünf waren – sie essen nichts, was einen Schatten wirft. Das war dann doch nicht so einfach – Sahne und Käse fielen weg. Eier auch. Ich habe ein veganes Chili gemacht. Einen fünfzehn Liter Topf voll. Und vom Flimmerkistenschmaus habe ich 30 Liter zubereitet. Dazu gab es jede Menge Brot, Gemüse und Dipp. Lieber ein wenig zu viel, dachte ich, als zu wenig. Den Rest kann man ja einfrieren und auch noch die Woche über essen.

Aber wenn so eine geballte Ladung an Autoren aufeinander trifft, wird nicht nur gefachsimpelt, geredet, erzählt, gelacht, getrunken und in den frühen Morgenstunden gesungen – nein, Autoren, so weiß ich jetzt, sind ein ganz ausgehungertes Völkchen. Wahrscheinlich, weil sie sich mit brotloser Kunst beschäftigen. Es ist NICHTS übrig geblieben. Gar nichts. Aber es war sehr schön und auch wenn ich nicht mehr genau weiß, wie ich die beiden Gerichte gekocht habe – ich würde es gerne wieder machen. Oder zumindest so ähnlich. Und auch mit diesen Gästen.

Ich werde im Übrigen immer wieder von Leser darauf angesprochen, dass in meinen Büchern oft gekocht und viel Brot gebacken wird. Stimmt. Denn wenn ich mich an meinen Schreibtisch setze, um meinem Job nachzugehen, hockt mein Hobby irgendwo in meinen Gehirnwindungen und schleicht sich ein.

Bon Appetit

wünscht Ihre Ulrike Renk

PS: Es gibt verdammt viele Schreibregeln, aber kein Rezept, wie man einen Bestseller schreibt. Beim Schreiben wie beim Kochen sollte man mutig sein und ausprobieren.

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