Eine Sonntagsserie über das „Nicht-Schreiben“? Nie fiel mir auf Anhieb mehr zu einem Thema ein. Da könnte ich statt der 500 anvisierten Wörter glatt 500 Seiten schreiben. Zack, wäre der Wälzer fertig. Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wär …
Ausrede 1: „Ich kann nicht schreiben, wenn das Kind keinen Namen hat!“ Klingt komisch, ist aber so. Das war beim letzten Buch nicht anders. Ich platze im Übrigen immer noch vor Stolz auf meinen letzten Titel, der sich aus einem dänischen Prinzen, frittierten Kartoffelstäbchen und einer Farbkombination zusammensetzte. Doch damit scheint das kreative Potenzial aufgebraucht. Ende der Fahnenstange.
Ausrede 2: „Mir fällt partout nichts ein!“ Aktuell (soll heißen: seit der Erstellung meiner Liste mit den guten Vorsätzen für 2015) bin ich auf der Suche nach dem Arbeitstitel für den kommenden Roman. Da wird es auch schon mal Herbst, bevor das Schreibjahr überhaupt angefangen hat. Nutzt aber nix: Eine Überschrift muss her! Wie soll ich sonst wissen, worüber ich schreibe? So habe ich es früher bei den wissenschaftlichen Arbeiten gemacht: Zwischendurch immer mal wieder draufgucken, bevor man sich verzettelt und von Höcksken auf Stöcksken kommt. Am besten man hängt sich einen Klebezettel an den Bildschirm, schreibt die geniale Jahrtausendformulierung mit Lippenstift an den Badezimmerspiegel oder lässt sie sich direkt auf den Unterarm tätowieren. Da verrutscht es wenigstens nicht, wenn jemand die Bürotür öffnet und eine Böe alle Haftnotizen von der Pinnwand fegt.
Ausrede 3a: „Meine Aufzeichnungen wurden vom Winde verweht!“ ist zwar irgendwie poetisch, aber genauso unglaubwürdig wie Ausrede 3b: „Der Hund hat meinen Notizblock gefressen!“ Angesichts meiner pubertierenden Vierbeiner jedoch gar nicht so abwegig, daher kommen wir direkt zu
Ausrede 4: „Hier hält mich immer irgendwer von der Arbeit ab!“ Die Statistik belegt das eindeutig: Tiere = 2, Kinder = 2, Titel = 0.
Moment! Vielleicht liegt genau hier die Lösung, denn Buchtitel, in denen Zahlen vorkommen, liegen voll im Trend: „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“, „Die Dreigroschenoper“ oder auch „Einkochen leicht gemacht“. Ich glaube, ich springe auf diesen Erfolg versprechenden Zug auf und nenne meinen Roman: „Wie ich es schaffte, in nur zwölf Monaten vier Bücher nicht zu schreiben“.
Sie haben den Eindruck gewonnen, ich verzettele mich und sollte lieber einfach schreiben, als über den Titel nachzudenken und von der Mücke zum Elefanten zu kommen? (Apropos: Da habe ich doch gerade zu-fäl-lig im Internet eine Wettbewerbsausschreibung gefunden: ‚Der Elefant im Porzellanladen‘.)
Ausrede 5: „Es hat sich ein anderes Projekt dazwischengeschoben!“ So. Da machste nix! Und bei der Recherche zum Thema ‚Porzellanladen‘ (die neun Tassen Kaffee lang dauerte) fiel mir auf, dass mein Geschirrschrank dringend umgeräumt werden müsste. Wat mutt, dat mutt! Den Küchenboden habe ich auch gleich mit ausgetauscht; nach der TV-Doku über Elefanten kam nämlich direkt eine Heimwerker-Serie. Ich bin natürlich sofort in den Baumarkt, habe meinen Esstisch beiseite geräumt und dann ging’s los. Laminat verlegen kann ich also jetzt auch. Was ich bei meinen Recherchen nebenbei noch gelernt habe: wie die höchsten Wolkenkratzer der Welt konstruiert sind und welche Methoden es in der Bekämpfung von Insektenplagen und Stress gibt.
Ausrede 6: „Man weiß nie, wofür man das mal gebrauchen kann!“ Nach diesem anstrengenden Schreibtag habe ich den vor sich hingammelnden 10 Euro-Gutschein für einen Besuch auf der Wellnessfarm hervorgekramt.
Ausrede 7: „Pausen sind ganz wichtig!“ Die Seele baumeln lassen, Energie tanken und einfach mal das Hirn ausschal… Ha, da fällt mir was ein!
Ausrede 8: „Prima Idee, das muss ich sofort recherchieren!“ Wenn das nur nicht alles immer so viel Zeit fressen würde … Internetadressen sammeln, die Ablage neu organisieren, Texte ausdrucken, lesen, zusammenfassen, bunt malen. Dann die sich anschließenden Begehungstermine, Interviews, Feldversuche. Wann soll man da noch zum Schreiben kommen? Am besten ich starte direkt eine Blogparade, ist doch ein super Thema! Apropos ‚Thema‘: Wo war ich doch gleich? Ach ja: Mücken. Da könnt ich ja ganze Bücher drüber schreiben!
In diesem Sinne. Ich bin dann getz wech: die Suchmaschinen anschmeißen.
Ihre und eure Claudia Kociucki
PS: Was, wenn herauskommt, dass ich gar nicht schreiben kann oder alle mein Buch doof finden? Oder noch schlimmer: Was, wenn das so ein richtiger Raketenerfolg wird und ich dann nicht das passende Kleid für den roten Teppich bei der Filmpremiere finde? Ich glaube, da liegen die Hasen im Pfeffer! (Auch ein schöner Buchtitel. Bücher mit Tieren liegen ja voll im Trend.)