„Wir machen schöne Bücher, die gelesen werden möchten“

Joan Weng im Gespräch mit Marc Hiller von dp DIGITAL PUBLISHERS 

Snacken Sie? Gehören Sie wie ich zu den Menschen, die beim Warten auf die Bahn schnell ein Schokocroissant und die Reste eines zerdrückten Müsliriegels verputzen? Ja? Dann gibt es nun eine kalorienfreie Alternative:  Die Booksnacks des Digitalverlags dp DIGITAL PUBLISHERS – E-Book Kurzgeschichten jeden Genres, ideal für unterwegs, gewissermaßen die Shortstory to go.  Und nachdem inzwischen mein halbes Blogteam in diesem Rahmen veröffentlicht hat, war meine Neugier geweckt: Was verbirgt sich für ein Verlag dahinter? Wie funktioniert das? Trägt sich das? Und vor allem: Wer hat heute noch die Chuzpe, einen Verlag zu gründen?

Marc Hiller heißt der Mann, der mich schließlich an einem Mittwoch Ende Juni in den neubezogenen Räumen des dp Verlags empfängt. Das am Marktplatz gelegene Büro ist typisch Stuttgarter Altbau: Schön sauberes Treppenhaus, große Fenster, abenteuerliche Stromanschlüsse. Eine Menge Frauen, die meisten in existentialistischem Schwarz der Stuttgarter Kesselhitze trotzend, starren auf Bildschirme, Hillers Sohn macht an einem Tisch die Hausaufgaben und obwohl dp ein E-Book Verlag ist, stehen auf den Fenstersimsen Bücher.

JW: Ganz frech zum Einstieg gefragt: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Verlag zu gründen?

MH: Also, die Grundtendenz kam daher, dass ich selbst immer gern gelesen habe, aber eben nicht unbedingt nur hoch anspruchsvolle Literatur. Das ist vermutlich das Entscheidende, dass ich schon auch ein Freund der sogenannten Populärliteratur bin. Ein Buch muss mich literarisch unterhalten und es muss natürlich eine gewisse sprachliche Qualität haben. Wir als Verlag wollen dann auch den „Normalleser“ als Zielgruppe erreichen.

JW: Ja, aber da gibt es doch auch zahlreiche andere Verlage, die diese Zielgruppe bedienen. Warum also noch einen Verlag?

MH: Ich hatte durch Gespräche mit Autoren und Autorinnen festgestellt, dass es oft schwierig ist, den passenden Verlag für sich zu finden. Für die Verlage ist es aber auch schwierig, im richtigen Moment, den richtigen, neuen Stoff zu haben. Das finanzielle Risiko beim gedruckten Buch ist riesig, so dass man lieber auf schon bekannte Namen, auf bewährte Themen setzt.  Die Wahrscheinlichkeit, dass man als Autor, als Agent gerade in dem Moment etwas anbietet, in dem der Verlag etwas Derartiges sucht, ist gering. Das Selfpublishing bietet Autoren da natürlich völlig neue Möglichkeiten, was dabei leider oft unterschätzt wird, ist die Mühe, die darin steckt. Selbst wenn man als Autor sich die Mühe macht und sich einen Lektor, einen Grafikdesigner sucht, fehlt oft der vermittelnde Konterpart des Verlages. Als Verlag kann man beispielsweise zwischen Lektor und Autor vermitteln: Schau her, das ist keine Kritik an dir als Person … Und als Verlag weiß man auch einfach aus Erfahrung, dieses Cover spricht diese Zielgruppe an, ein Klappentext muss so und so gestaltet sein. Zusammenfassend kann man vielleicht sagen, mein Thema war: Wie finden Autor und Verlag zusammen?

JW: Wie würden Sie denn jetzt Ihr verlegerisches Selbstverständnis definieren?

MH: Wir möchten als E-Book-Verlag das leisten, was tradierte Verlagshäuser im Print leisten. Wir möchten im E-Book schöne, hochwertige Bücher gestalten. Dabei achten wir auch auf so Themen wie Kapitälchen, Schriftart und natürlich ordentliches Lektorat.  Unser Leitmotiv ist “Wir machen schöne Bücher, die gelesen werden möchten.“

Gleichzeitig war für mich von Anfang an klar: Wenn ich einen Verlag gründe, dann muss der auf Transparenz, Ehrlichkeit und Offenheit basieren. Das heißt beispielsweise, wir wollen unserem Autor keine Verlagsabrechnung geben, die er nicht versteht. In unserer Branche werfen wir mit Prozenten um uns, aber oft weiß der Autor gar nicht, was beispielsweise der Verlagsnettoerlös oder der Verkaufsnettoerlös ist. Was heißt denn: Du bekommst 50 Prozent? Wovon?  Als Autor kann man in der Regel auch nicht beurteilen, wie viel wurde für Marketing ausgegeben? Wir wollen, dass unsere Autoren nachvollziehen können, was sie bekommen.

JW: Und was bekommen sie?

MH: Es ist zwar ein großes Risiko, aber wir zahlen unsere Tantiemen bewusst vom Verkaufsnettoerlös. Ich hab mir anfangs damit viele Diskussionen eingehandelt, einfach weil ein Anteil am Verkaufsnettoerlös logischerweise prozentual niemals so hoch sein kann wie vom Verlagsnettoerlös.

JW: Wie ist es dann mit der Verlagsgründung gegangen?

MH: Ende 2013 hatten wir eine Konzeptphase, 2014 sind wir dann mit 10 Titeln an den Markt gegangen. Da hab ich den Verlag noch neben meinem Job betrieben und war noch weitgehend alleine, mit Friends and Family muss ich betonen. Nachdem das ganz gut anlief, ging ich konsequent auf Investorensuche. Das war wieder eher schwierig. Verlag – das ist ein absolutes „No go“ in der Finanzbranche, ein bisschen, wie wenn Sie einen KFZ Betrieb gründen wollen. Ich hatte dann aber am Ende Glück. Wir haben als einer der ersten Kleinstverlage einen Direktvertrag mit Amazon geschlossen und konnten schnell Kontakte zu Thalia, Hugendubel etcetera knüpfen.

JW: Da waren dann die Vertriebsstrukturen da.

MH: Genau, aber für uns war auch wichtig, dass wir jederzeit den direkten Zugriff auf unsere Daten haben, wenn es zum Beispiel um Änderungen im Klappentext oder Ähnliches geht. Gleichzeitig haben wir Kontakte mit Literaturblogs geknüpft, um so auch zum jeweiligen Buch passende Rezensenten zu finden.

JW: Wie groß ist denn Ihr aktuelles Verlagsprogramm?

MH: Aktuell haben wir um die 200 Titel. Wir kaufen nicht im großen Stil Backlisttitel ein, wir setzen nicht auf das Prinzip der Masse. Wir gehen sehr gezielt vor und möchten sukzessive ein sehr wertiges Programm aufbauen. Gleichzeitig möchten wir auch die Selfpublisher fördern und bieten für sie ein accompanied selfpublishing an. Hier geben wir von uns geprüften und für veröffentlichungswürdig befundenen Autoren die Möglichkeit, Selfpublishing auszuprobieren und gleichzeitig beispielweise auf unsere Erfahrung im Coverdesign zurückzugreifen. Aber das machen wir nur, wenn wir hinter einem Titel stehen, wir sind kein Zuschussverlag.

JW: Erzählen Sie mir doch noch etwas zu den Booksnacks. Wie sind Sie darauf gekommen?

MH:  Nun, die meisten Autoren haben sich irgendwann einmal an der Kurzgeschichte versucht, aber werden sie in Anthologien herausgegeben, vermarkten sie sich in der Regel schlecht bis gar nicht. Gleichzeitig besteht besonders bei jungen Leuten und Pendlern ein großes Interesse an dieser Gattung. Man ist unterwegs, man hat keine gute Datenverbindung, aber eine Kurzgeschichte lässt sich problemlos laden und schon hat man was zu lesen. Wir haben für diese Zielgruppe speziell die App des Tages. Für die Autoren ist es schön, weil deren Portfolio natürlich wächst. Der Name wird häufiger bei den Online E-Book Shops gefunden. Und gerade für die bereits Etablierten, bietet sich hier die Chance neue Genres auszuprobieren. Nehmen Sie Thomas Kowa, den Spannungsautor, der ist bei uns, neben seinen fabelhaften Krimis im Humorsektor sehr erfolgreich.

JW: Eine der Hauptklagen der Autoren ist ja immer, dass es so ewig dauert, bis man vom Verlag Rückmeldung zu einem Buch bekommt. Wie lang muss man denn bei Ihnen einplanen?

MH: Also wir kriegen in der Woche schon recht viele Manuskripte eingereicht, wir sind da schon zweistellig, die Booksnacks nicht mitgerechnet. Grundsätzlich versuchen wir aber, innerhalb von 4 Wochen zu reagieren. Bei den Booksnacks läuft es etwas anders, da arbeiten wir mit alle 2 Monaten wiederkehrenden Stichtagen und vom Stichtag dann vier Wochen.

JW: Vielen Dank für Ihre Zeit und weiterhin alles Gute.

MH: Danke an Sie für die Chance, uns Ihren Lesern vorzustellen und für das charmante Interview.

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