Ich gebe zu, dass ich beim dritten Buch von Fredrik Backman skeptisch war. Die beiden Vorgänger fand ich fantastisch. Konnte das gut gehen, drei tolle Bücher hintereinander?
„Wenn Bücher die Welt retten können, dann solche“, schrieb ich in einer Rezension über Backmans Erstling „Ein Mann namens Ove“. Mittlerweile ist das Buch verfilmt worden, und man muss sich über diese Verfilmung nicht ärgern. Sicherlich auch dank Rolf Lassgård, bekannt als brummiger Kommissar Wallander. Er ist ein toller Ove, und auch wenn die Filmhandlung Teile des Romans ausspart – wie bei fast allen Verfilmungen -, ist der Film sehenswert. Das Buch aber ist ein Muss, finde ich. Und ich war der Meinung, dass es eines der besten Bücher ist, die ich je gelesen habe, wenn nicht gar das beste.
Und dann kam „Oma lässt grüßen und sagt, es tut ihr leid.“ Nach der Lektüre dachte ich: Wie macht der Kerl das nur? Eine Mischung aus unglaublich komischen Momenten und traurigen Augenblicken machte es mir sehr schwer, das Buch wie gewohnt in der Straßenbahn zu lesen. Scheinbar unmotiviert in der voll besetzten Tram loszulachen, ist noch in Ordnung, auch wenn es skeptische Blicke gibt. Aber das verstohlene Wühlen nach dem Taschentuch, um die Tränchen aus den Augenwinkeln zu wischen, ist schon unangenehm. Und das war bei Ove auch schon so gewesen.
Elsa wird von ihrer kranken Oma beauftragt, sich in ihrem Namen bei verschiedenen „Personen“ zu entschuldigen. Personen steht hier in Anführungsstrichen, weil es zum Beispiel auch ein Hund ist, den Elsa als Monster empfindet. Als die Oma stirbt, nimmt Elsa den Auftrag natürlich sehr ernst.
Bringen wir es auf den Punkt: Elsa ist hochbegabt, ihre Oma eine chaotisch-kindische Rebellin, und beide hängen aneinander wie die Kletten. Ihre Verbindung besteht vor allem auch durch die Märchenwelt, die sie gemeinsam erfinden und weiterspinnen. Auch in der Realität findet Elsa immer wieder Entsprechungen dazu, und als ihre Aufgaben gelöst sind, kann sie den Tod der Oma überwinden.
Und dann ist da noch Britt-Marie. Sie ist eine Nebenfigur, die eigentlich eher unsympathisch ist, am Ende ein paar Punkte gutmacht, aber wirklich keine Hauptfigur. Dachte ich.
Als drittes Buch erschien dann „Britt-Marie war hier“. Und er hat es schon wieder geschafft. Diese unscheinbare Nebenfigur, eine 63-jährige, graue Maus mit Putzzwang, bipolar und nervtötend, wächst dem Leser so ans Herz wie Ove oder Elsa. Nachdem sie sich im Roman „Oma lässt grüßen“ von ihrem Mann trennt, verschlägt es sie als Hausmeisterin in das Nest Borg, wo die Wirtschaftskrise die Bevölkerung vollkommen demoralisiert hat. Auch die Kinder. Das Einzige, was diese Kinder aufrecht hält, was sie motiviert, ist Fußball. Wenn man Fußball nennen kann, was die Dorfjugend da auf einem Schotterplatz treibt. Spielen kann keiner, sie treffen nur durch Zufall. Wie zum Beispiel Britt-Maries Kopf, als sie zum ersten Mal in Borg aus dem Auto steigt. Und Britt-Marie hasst Fußball.
Fredrik Backman allerdings liebt Fußball, und zwischendurch kann man durchaus auf die Idee kommen, dass „Britt-Marie war hier“ im Grunde ein Fußball-Roman ist. Denn Britt-Marie wird tatsächlich Trainerin dieses chaotischen Haufens, der da allabendlich den Ball durch die Gegend drischt. Dass sie nebenbei auch die Hoffnung zurück nach Borg bringt, hat vielleicht auch mit Fußball zu tun, vielleicht aber auch nicht. Aber das ist egal. Backman hat es schon wieder geschafft.
Kritiker werfen Backman vor, alles so fürchterlich genau zu benennen, eine einfache Sprache zu pflegen. Möglichweise hat da der eine oder andere die Bücher zu schnell gelesen, vielleicht lese ich auch mehr hinein, als da ist. Dennoch hat Backman es geschafft, drei Geschichten zu erzählen, die mich fesseln, berühren und unterhalten. Und nach der Lektüre sehe ich einiges anders. Die Welt hat sich nicht verändert, aber meine Sicht auf sie ist um eine Nuance reicher geworden.
Wie macht der Kerl das nur?
Ihr Wolf P. Schneiderheinze