Das Hermann-Hesse-Haus und die Bücher von Eva Eberwein

Im Sommer 1981 waren wir das erste Mal in Gaienhofen, auf der Durchreise ins Tessin. Natürlich besuchten wir auch das Bauernhaus, in das die Hesses im Herbst des Jahres 1904 gezogen waren. Heute ist es Museum, nicht nur zu Hermann Hesse, sondern auch für andere Künstler auf der Höri. Hesse wohnte nur bis 1907 in diesen beengten Verhältnissen. Er ließ sich dann, finanziert durch eigenen Erfolg, aber doch im Wesentlichen durch Kredite des Schwiegervaters, ein eigenes Haus bauen, nicht mehr in der Ortsmitte, aber noch in Gaienhofen gelegen. Damals fanden wir es nicht, bei späteren Besuchen im Ort konnten wir es nur von außen sehen. Eine Besichtigung innen war nicht möglich.

Der Hermann-Hesse-Weg in Gaienhofen

Dass die Besichtigung möglich wurde, ja, dass es das Haus überhaupt weiterhin gibt, ist Eva Eberwein zu danken. Sie hatte Beziehungen zum Ort Gaienhofen schon seit ihrer Kindheit, und als sie im Jahr 2003 hörte, dass das Haus abgerissen werden sollte, kaufte sie es kurzerhand auf und begann mit der Renovierung. Dazu recherchierte sie umfangreich und fand so auch die Pläne, nach denen der Dichter vor fast einhundert Jahren seinen Garten angelegt hatte. Sie erfuhr dazu einiges über seine erste Frau, die sie schließlich deutlicher ins Licht setzte als bisher von Hesses Biografen. Nicht ohne Grund heißt das erste Buch von Eva Eberwein und Monika Leister Lichtwerke.

Das Buch beschäftigt sich hauptsächlich mit Mia Hesse als Fotografin, ihrer Berufsausbildung, die zu ihrer Zeit noch ungewöhnlich war, ihrer Arbeit mit eigenem Fotoatelier in Basel und auch mit Fotografien, die sie in Gaienhofen gemacht hatte, nicht nur von ihrer Familie. Monika Leistner fügte auch noch Kapitel hinzu, die sich mit der Fotografie um 1900 generell beschäftigen. Das Buch wurde herausgegeben vom Förderverein Hermann-Hesse-Haus und -Garten e. V. und ist über das „Lädchen“ des Hauses auch online zu beziehen.

Das zweite Buch von Eva Eberwein handelt von Hesses Garten und was sie daraus gemacht hat. Die Fotos machte der Fotograf Ferdinand Graf von Luckner, der auch bereits Bildbände über andere Gärtner (u. a. von Fürst Pückler) herausgegeben hat.

Hesse verließ das Haus bereits im Jahr 1912, er hatte also nur annähernd fünf Jahre darin gelebt. Man sollte meinen, dass der von ihm angelegte Garten heute nichts mehr vom Dichter zeigen dürfte. Doch dank der intensiven Recherchearbeit von Frau Eberwein konnte der Garten nach des Dichters Plänen neu und in seinem Sinn wieder angelegt werden. Es macht Spaß und Freude, sich durch diesen Garten führen zu lassen und dabei festzustellen, dass die Intention des Dichters noch zu spüren ist, genauso wie im Haus. Das Buch geht noch intensiver auf die Neuanlage des Gartens ein, als es eine Führung kann. Die Autorin holt dabei ziemlich weit aus, rekonstruiert auch die Geschichte des Hauses nach dem Auszug von Mia und Hermann Hesse. Der Untertitel „Von der Wiederentdeckung einer verlorenen Welt“ zeigt bereits, dass es nicht nur um Hesses Garten allein geht, sondern auch um die generelle Sehnsucht der Menschen, sich ein Paradies zu schaffen. Es ist beeindruckend zu lesen, wie sich die Autorin nach und nach in die Idee von Hesses Garten hineinfindet. Ein wunderbares Buch, nicht nur zum Lesen, sondern auch zum Betrachten und nicht nur für Hesse-Bewunderer, sondern für alle, die Gärten lieben. Das Buch ist bei DVA erschienen und kann über jede Buchhandlung bezogen werden, aber auch über das Lädchen.

Das dritte Buch von Eva Eberwein erschien 2022 im Prestel Verlag: Das Haus von Mia und Hermann Hesse. Untertitel: Leben im Einklang mit der Natur. Die Fotos dafür steuerte Martin Maier bei.

Beschrieben wird in diesem Buch, wie es zu dem Haus kam, warum es etwas Besonderes damals war und heute auch noch ist. Zimmer für Zimmer, Bereich für Bereich wird vorgestellt, immer wieder auch mit dem Blick in die Vergangenheit und auf die ursprüngliche Nutzung. Dem Zimmer von Mia Hesse widmet die Autorin ein besonders interessantes Kapitel, in dem auch erzählt wird, wie sie sich für Hesses Frau zu interessieren begann. Das Buch zeichnet nicht nur ein deutlicheres Bild der Persönlichkeit des Dichters in diesen Jahren am Bodensee, als es die herkömmlichen Biografien bislang taten, sondern bringt auch die Zeit, in der er lebte, viel deutlicher und plastischer zurück. Wer möchte nicht in diesem Haus leben nach der Lektüre (und vielleicht auch schon nach der Besichtigung), aber wer hätte es mehr verdient als die Autorin?

Blick auf den Bodensee

Bei unserem Besuch vor zehn Jahren kauften wir Frau Eberwein einen Trieb der im Garten vorhandenen Weinreben ab. Dieser ist bei uns inzwischen zu einem stattlichen Weinstock am Balkon hochgerankt und bringt uns jeden Herbst saftige und süße rote Trauben, die ohne Zusatz von Zucker bereits einen süßen Saft bringen, der in guten Jahren nicht nur bis zur folgenden Ernte reicht, sondern auch Kindern und Enkelkindern (und der Blogchefin) ausreichend Geschmack vermittelt. Vielleicht versuche ich sogar im nächsten oder übernächsten Jahr, Wein daraus zu keltern. Einen eigenen Dichterwein im Garten zu ziehen – das hätte was.

Auf dem Weg zu Haus und Garten (links).

Bis zum nächsten Dichterhausbesuch

Ihr Horst-Dieter Radke

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