Fundstücke 1

Was habe ich nicht schon alles aus der Tonne – dem Altpapiercontainer – geholt. Jedes Mal, wenn ich Gartenabfall, der nicht in unseren Kompost passt, oder Gerümpel, das nicht auf die Sperrmüllabholung warten kann, auf den Restmüllplatz bringe, schaue ich auch beim Altpapiercontainer vorbei, um nachzuschauen, welche Bücher die Leute wieder weggeworfen haben. Oft sind Haushaltsauflösungen und Nachlässe, nicht selten aber auch einfach nur Ausmistaktionen der Anlass für diese Art Bücherentsorgung. Vermutlich wurde mal beim Antiquariat nachgefragt. Dass man dort abwinkt, weil es viel zu viele solcher Nachlässe gibt mit wenig oder gar keinen werthaltigen Exemplaren, ist den Antiquaren nicht zu verdenken. Also ab mit den Büchern in die Tonne.

Vor einigen Monaten fand ich dort einen Bildband über Rosen, den ich meiner Frau mitbrachte, die spontan fragte: »Hast du den jetzt gerade gekauft?« Sie wollte nicht glauben, dass ein hochpreisiges, hervorragend ausgestattetes Buch in neuwertigem Zustand einfach weggeworfen wird. Manchmal nehme ich den Leuten die Bücherkisten aus der Hand, bevor sie die in der Tonne entsorgen können. Auf diese Weise gelangte ich kürzlich an eine 70bändige Ausgabe mit Werken der Nobelpreisträger. Meine Frau schüttelte den Kopf, als ich mein Arbeitszimmer damit zustellte. Aber es dauerte nicht lange, da hatte ich einen Abnehmer dafür gefunden, eine junge Literaturstudentin, Enkelin einer Kollegin, die sich über dieses Geschenk freute.

Spannend finde ich es immer wieder, Autoren zu entdecken, die mir noch nie begegnet sind, weder als Buch noch als Name. Otto Heinrich Kühner (1921 – 1996) etwa, in zweiter Ehe verheiratet mit der erfolgreichen Autorin Christine Brückner, Mitglied des P.E.N. und Mitglied der Gruppe 47. Zu Lebzeiten nicht ganz unbeachtet – insbesondere auch über seine feuilletonistischen Tätigkeiten für die Süddeutsche Zeitung, die ZEIT und die Frankfurter Rundschau – gibt es heute kein einziges Buch mehr, das über den regulären Buchhandel zu haben ist. Man muss in Antiquariaten suchen. Oder in der Tonne. Ich zog am Samstag seinen ersten Roman, Nikolskoje, erschienen bei Albert Langen in München 1953 aus dem Altpapiermüll, allerdings in einer schönen Ausgabe der Deutschen Buchgemeinschaft Berlin und Darmstadt. Nachgefragt bei einer Literaturkennerin meines Vertrauens erfuhr ich, dass er ihr noch in Erinnerung sei, insbesondere wegen seiner lesenswerten Kurzgeschichten. Damit war für mich schon mal klar, das Buch kommt in keinen Bücherschrank, sondern wird angelesen und bei Gefallen werde ich mich nach seinen Erzählungen umschauen.

Über weitere interessante Funde aus der Tonne werde ich dann und wann berichten. Vielleicht schauen Sie selbst einmal nach, was der Altpapiercontainer in ihrer Nähe alles an Schätzen enthält. Und falls Sie etwas Interessantes darin finden, lassen Sie es uns wissen.

Ihr Horst-Dieter Radke

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