Das Leben Emmy Ball-Hennings als Graphic Novel – kann das funktionieren? Sind Biografien als Graphic Novel angemessen umsetzbar? Und was hat Emmy mit dem Dadaismus zu tun? Den haben doch ein paar Schriftsteller und Kabarettisten erfunden, oder nicht? Fragen über Fragen, die man nur beantwortet bekommt – soweit das überhaupt möglich ist –, wenn man die Graphic Novel von Fernando Gonzáles Viñas & José Lázaro liest. Moment mal: zwei Spanier? Können die überhaupt über eine deutsche Schriftstellerin angemessen schreiben? Wie man sieht: Die Fragen nehmen kein Ende, und irgendwie passt das auch zu Emmy Hennings (das und der „Ball“ kamen erst später hinzu), die von sich in einem Gedicht (Traum) schrieb: „Ich bin so vielfach in den Nächten“ und in einem anderen Gedicht behauptete: „Ich bin zu gleicher Zeit an vielen Orten“.
Auf dem Klappentext wird Emmy Hennings als zu Unrecht vergessene Schlüsselfigur des Dadaismus bezeichnet, was allerdings so nicht zutrifft, oder zumindest nicht mehr. Dass sie eine wesentliche Rolle dabei spielte, ist inzwischen anerkannt. Die Autoren kommen mit dieser Intention zu spät (die Graphic Novel erschien erstmals 2017, die deutsche Ausgabe 2020), oder die Klappentextmacher hatten keine Ahnung. Wie auch immer, im Zentrum dieser „Geschichte“ steht die Erfindung des Dadaismus, darauf läuft Emmys Biografie zu – ziemlich langsam, und danach läuft sie wieder aus – sehr schnell. Nach dem Wechsel ins Tessin haben die Autoren nicht mehr viel zu erzählen in Bild und Wort, im Grunde nur die Begegnung mit Hermann Hesse. Kein Bild über den Aufenthalt in Italien, kaum ein Wort über ihr Leben nach dem Tod von Hugo Ball. Immerhin wird deutlich, dass Emmy Hennings trotz ihrer Morphiumsucht eine starke Persönlichkeit war, die auch etwas zu sagen hatte.
Mal abgesehen von diesen Schwächen funktioniert die „gezeichnete Biografie“ aber recht gut, vor allem als Ergänzung zu bereits vorhandenen textorientierten Biografien – vielleicht als Einstieg, wenn man Emmy Hennings noch nicht kannte oder vom Dadaismus bisher nichts wusste. (Gibt’s das?) Dass solch ein Buch schnell ausgelesen ist, liegt natürlich in der Natur der Sache, aber dafür kann man es dann gleich (oder später) ohne großen Aufwand noch einmal lesen und anschauen.
Viel Freude an der Lektüre wünscht Ihnen
Horst-Dieter Radke