Ich gehöre zu jener glücklichen Generation, die die Harry Potter Serie tatsächlich noch Buch für Buch lesen musste und durfte, zwischen jedem Band mindestens ein Jahr Frist. Unvergessen die Sommerferien, in denen meine beste Freundin mich in Irland anrief – damals noch ein echter Akt und zu 0,35 Euro die Minute – nur um mir mit tränenerstickter Stimme zu erzählen, dass Dumbeldore tot sei, ermordet durch keinen anderen als Serverus Snape.
Das traf mich hart, denn ich war immer von der Unschuld dieses verbitterten Mannes mit den ewig ungewaschenen Haaren überzeugt. Ein ganzes Jahr lang war mein Glaube ans Gute vielleicht nicht erschüttert, aber doch stark strapaziert und dann – welch Triumph! – , dann war am Ende eben alles ganz anders. All das ist heute fast Allgemeingut, und die Frage nach Snapes Moral schlägt Google gleich als erstes vor. Sexy Snape wird scheinbar auch oft gegoogelt, aber das ist – wirklich! – nur für Mutige!
Und nun fast zwanzig Jahre nach jenem denkwürdigen Anruf bin ich in der Grabbelkiste von OXFAM über ein kleines, ziemlich zerfledertes Buch gestolpert: Lorrie Kims Snape – the defintive analysis of Hogwarts’s mysterious poition master
Ich fühlte mich ein bisschen wie Harry Potter, als er die Aufzeichnung des Halbblutprinzen entdeckte, auch wenn ich, ehrlich gesagt, dachte, für fünfzig Cent könne ich nicht viel falsch machen. Nicht viel falsch, aber sehr viel richtig! Lorrie Kims Buch ist nicht nur eine höchst amüsante Lektüre für Fans, sondern auch für Autor:innen ein echtes Geschenk. Mit literaturwissenschaftlichen Mitteln dröselt sie auf, wie es J.K. Rowling gelungen ist, diesen zerrissenen Anti-Helden zu einer der interessantesten Figuren ihres Kosmos zu machen. Die Analyse bezieht dabei sprachliche Mittel ebenso ein, wie durch die gekonnte Abfolge der Szenen erzeugte Effekte und den Zeitpunkt der Informationsgabe. Das alles in gut verständlicher Sprache und durchaus mit einem Augenzwinkern.
Eine höchst interessante Lektüre, nicht nur für Fans!
Ihre Joan Weng