Wann hat man als Kind die meiste Zeit zum Lesen? Genau. In den großen Ferien. Hauptreisezeit ist auch Hauptlesezeit. Ich bin in einem Haushalt voller Bücher großgeworden. Wenn man mir eins beigebracht hat, dann: Du musst viel lesen, Sohn! In dem festen Glauben, dass Lesen irgendwie intelligenter mache. Wie alle braven Kinder habe ich meinen Eltern geglaubt.
In den Sommerferien bezogen wir regelmäßig ein Ferienhaus an der Südküste Spaniens. Großzügig in Sonnencreme und Schweiß mariniert, brutzelten wir gutgelaunt vor uns hin. Wir brutzelten in der Gewissheit, genug Junk-Lit für die gesamten Ferien dabeizuhaben. Die Welt jenseits von Haus und Strand kannten wir nur vom Hörensagen, wir widmeten uns vollständig den mitgebrachten Comics. Über unseren Köpfen schwebte der elterliche Tadel, ob des trivialen Vergnügens, dem wir uns so hemmungslos hingaben. Doch das war uns schnuppe. Gekonnt ignorierten wir jedwede Erziehungsversuche. Die schiefen Blicke und unzweideutigen Kommentare erreichten uns nicht, denn unser Herz gehörte Donald Duck und Superman. Stunde um Stunde arbeiteten wir uns an die Verblödungsschwelle heran.
Neben den Comics gab es noch die Detektiv- und Agentenromane. Einer meiner Helden hieß Mister Dynamit. Im bayerischen Coupé ließen der BND-Agent und ich die Reifen quietschen bis zum Tinnitus. Fäuste flogen, Revolver verteilten tödliche Ladungen, Querschläger sirrten über unsere Köpfe. Nur gebumst wurde nicht. Ein sauberer Kleinejungstraum.
Heute sind meine Kleinejungsträume natürlich immer noch sauber. 😉 Und ich leide auch immer noch unter Diabasmanie (Griechisch; diabaso= lesen, mania= Wahn; Anm.d.Verf.). Im Urlaub trage ich die Türme aus ungelesenen Büchern ab, die das Wohnzimmer in einen Slalomparcours verwandeln. Zugegeben, Bücherstapel verleihen einem Haushalt den gewissen intellektuellen Touch. Aber irgendwann reicht’s auch mal. Ich lese pro Jahr rund einhundert Bücher. Einen Gutteil davon in den Ferien. Romane, Erzählungen, Kurzgeschichten und Sachbücher. Keine Comics. Auch wenn ich fast sicher bin, dass Comiclesen nicht verblödet.
Ihr Christoph Junghölter