Warum ich nicht schreibe?

Also, falls ich wirklich mal einen oder zwei Tage nicht schreibe, dann könnte es erstens sein, dass ich Klausuren korrigiere, Klassenarbeiten erstelle oder einfach „nur“ Unterricht vorbereite. Denn das ist die Arbeit, die mir die Brötchen auf den Tisch bringt. Nebenbei: Mit „Schreiben“ meine ich nicht nur das Erstellen von Text. Nein, die Tipperei, die kommt bei mir erst ganz zum Schluss. Vorher beschäftigen mich Vorbereitungen, wie Recherche, Plotten, das Notieren von Dialogfetzen, das Herumspinnen und Fantasieren, das Visualisieren einzelner Szenen und so weiter.

Wenn mein Brötchenberuf mir Zeit lässt und ich trotzdem nicht schreibe, dann könnte es  – zweitens – sein, dass es seit Tagen nicht geregnet hat. Die Straßen im Bergischen Land sind also trocken und ich muss ganz dringend mein Moped ausführen, denn, ehrlich gesagt, fahre ich derzeit so wenig damit, dass ich praktisch ständig auf Entzug bin. Ich bin süchtig nach meinem Vierzylinder-Plastikeimer und nein, ich habe kein schlechtes Gewissen deswegen. Andere essen zu viel, ich fahre zu viel, bzw. würde es gerne tun, wären da nicht – drittens – meine Frau und meine übrigen Sozialkontakte. Genau wie eine Motorradkette brauchen sie Aufmerksamkeit und regelmäßige Pflege. Ein wenig Kettenspray da, ein Abendessen oder ein Theaterbesuch hier. Sie wissen schon.

Viertens – nein, diesen Punkt muss ich streichen, denn den habe ich weitgehend im Griff. Aber es könnte für den einen oder anderen interessant sein, da er Schreibwillige davon abhalten kann, zu Schreibenden zu werden. Ich meine den Selbstzweifel. Sobald eine Idee den Kopf hebt, drängt er sich in den Vordergrund, um zu fragen: „Kannst du das überhaupt? Aus dieser lächerlichen Idee willst du eine Geschichte machen?“ Manchmal tarnt er sich mit so fantastischen Ideen, wie „Du solltest mal wieder staubsaugen“ oder „Iss doch erstmal etwas, hast du gar keinen Hunger?“ Bei manchen von uns hockt er unter dem Scheibtisch, er kommt hervor, sobald man mit der Arbeit beginnt, liest jedes Wort, jedes Satzzeichen mit, legt es auf die Feinwaage und kommentiert: „Also ich weiß nicht – kannst du das wirklich nicht besser?“ Finden Sie eine Methode, um ihn im Zaum zu halten. Weglaufen ist keine.

Ja, und dann wäre da noch Fünftens: Ich habe einfach keine Lust zu schreiben. Oh.

Nein, dieser Punkt zählt nicht. Genauso wenig, wie irgendeiner der anderen zählt. Seien wir ehrlich. Ich habe noch keinen Roman publiziert, ja noch nicht einmal einen zu Ende geschrieben. Aber ich bin mir trotzdem sicher, dass ich das kann. So ein Vorhaben kann aber nur dann gelingen, wenn man es auch wirklich ernst meint. Wenn man bereit ist, sich mit allen auftretenden Schwierigkeiten auseinanderzusetzen. Wenn man bereit ist, Anfänger zu sein und zu lernen. Und wenn man bereit ist, das eine oder andere Opfer zu bringen. Man muss wollen, oder man verbringt seine Zeit besser mit anderen Dingen wie Motorradfahren oder einer Zweitfrau. Wenn man die Schreiberei ernst nimmt, dann gibt es schlicht und einfach keinen Grund, nicht zu schreiben. Punkt. Und darum bin ich mit diesem Beitrag jetzt auch fertig, denn auf mich wartet Arbeit. Ich werde das Manuskript eines Kollegen testlesen. Wenn man es richtig macht, gehört auch das Lesen zum Schreiben, man kann dabei nämlich eine ganze Menge lernen. Auf mich warten fünfzig Normseiten, die gelesen werden wollen. Nicht in einem Monat und nicht nächste Woche, sondern heute Abend. Jetzt gleich. Und morgen wird weiter geplottet. Ein Roman entsteht, und diesmal werde ich so lange daran arbeiten, bis ich guten Gewissens das Wort ENDE darunter schreiben kann. Wenn Sie mich also fragen, warum ich heute nicht schreibe, dann kann ich dazu nur sagen: Stellen Sie nicht so blöde Fragen. Lassen Sie mich weiterarbeiten …
Ihr Christoph Junghölter

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2 Gedanken zu „Warum ich nicht schreibe?“

  1. Äh, vielleicht liest Du das, statt zu schreiben. In vielen Dingen habe ich mich wiedergefunden.
    Besonders der Satz: Ich meine den Selbstzweifel, ist oft in meinem Kopf.
    Jeden Tag schreibe ich etwas, na klar.Gelten den auch Briefe oder emails zum tatsächlichen Schreiben? Für mich schon.
    Nur jetzt nicht, jetzt muss ich erst einmal Fallobst sammeln, Äpfel, bevor es wieder regnet.
    Auf Deinen Roman freue ich mich jetzt schon.
    Gruß Amos

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