„Wenn ich meiner Frau einen Krimi empfehle, dient er mir als Entschuldigung, wieso ich in den letzten Tagen den Geschirrspüler nicht ausgeräumt habe“

Stefan Schulz

Joan Weng im Gespräch mit Stefan Schulz, dem Putlitzerpreisträger 2016

Stefan Schulz wurde 1970 in Jena geboren. Schon als Kind war er Mitglied in der schulischen Arbeitsgemeinschaft »Junge Autoren«, doch geriet die Leidenschaft für das Schreiben dann neben Broterwerb und Musikbegeisterung für einige Jahre ins Hintertreffen. Erst nachdem sein Sohn das Haus verlassen hatte, widmete er sich wieder dem Schreiben – mit einigem Erfolg. 2015 bekam er bei einem Literaturwettbewerb einen Anerkennungspreis für seine Kurzgeschichte »Puderzucker«, 2016 errang er nun mit seiner Geschichte »Burka« den ersten Platz beim Putlitzer Preis. Aktuell arbeitet er an seinem Debütroman.

Hallo Stefan, erzähl uns doch erst einmal, wieso schreibst du? Was treibt dich an?

Hauptsächlich schreibe ich, weil ich es in der Schule lernen musste. Aber im Ernst – wer gern schreibt, lies normalerweise auch gern. Wer sich nicht schon als Kind für Bücher begeistern konnte, wird als Erwachsener sicher auch keine lesen.

Meine Deutschlehrerin las oft aus dem Buch »Der Zauberer der Smaragdenstadt« vor. Sie hörte aber kurz vor dem Ende auf und sagte uns, dass wir selbst richtig lesen lernen sollen, wenn wir wissen möchten, wie die Geschichte ausgeht. Wir fanden das natürlich gemein, aber letztendlich brachte sie die meisten Schüler dazu, dieses Buch und auch die Folgebände regelrecht zu verschlingen. Die Bücher von Alexander Wolkow zählten in der DDR zur Bückware. Das Warten, bis meine Eltern endlich den nächsten Band organisiert hatten, überbrückte ich, indem ich mir selbst neue Abenteuer aus dem Wunderland ausdachte, das ich damals der Sowjetunion vermutete. Mir hat es große Freude bereitet, die Gedanken und Ideen zu Papier zu bringen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Ein Mädchen aus der Nachbarschaft las damals zufällig in einem meiner Texte, wofür ich mich schämte. Sie fand das Geschriebene aber toll, zumindest gab sie mir dafür einen Kuss. Und schon wäre deine zweite Frage beantwortet, was mich antreibt.

Bist du ein Autor, der jedes Detail vorausplant, oder der geniale Kreativling, der am Anfang noch nicht weiß, wie es ausgeht?

Anfangs hielt ich mich für den genialen Kreativling, musste aber schnell feststellen, dass so etwas genial danebengehen kann. Man ärgert sich ein Loch in den Bauch, wenn man nach 150 Seiten einen Logikfehler bemerkt, dem dann gleich mehrere Szenen zum Opfer fallen, an denen man wochenlang geschrieben hat.

Mit einer guten Vorarbeit komme ich schneller ans Ziel, auch wenn ich nicht jedes Detail plane. Beim Plotten sind die Figuren schließlich noch Fremde. Erst wenn ich am Text arbeite, wachsen sie mir ans Herz und werden lebendig. Dann fällt eine Szene schon mal anders aus als ursprünglich geplant, was aber am Gesamtkonzept wenig ändert.

Welche Autoren inspirieren dich?

Alle, die spannend schreiben, deren Geschichten zum Nachdenken anregen, und solche, die mich zum Lachen bringen.

Mein Lieblingsautor ist übrigens ausgerechnet einer der reimenden Zunft, nämlich Wilhelm Busch, weil er der Einzige ist, der mich als Kind und als Erwachsener gleichermaßen begeistern konnte. 

Was macht für dich einen guten Autor aus?

Einer, der mich inspiriert und gute Bücher schreibt.

Und was ein gutes Buch?

Wenn ich meiner Frau einen Krimi empfehle, dient er mir als Entschuldigung, wieso ich in den letzten Tagen den Geschirrspüler nicht ausgeräumt habe.

Ein schicksalhafter Roman muss mich berühren, ohne in Gefühlsduseleien auszuarten. Ich mag übrigens Texte, die mit einer Prise Humor Tragik erzeugen. 

Darf ich fragen, worum es in deinem Debüt geht?

Nennen wir es besser mein Debütmanuskript. Darin geht es um eine junge Frau, die erst ein Jahrzehnt nach dem Ende der DDR erfährt, dass sie Opfer einer staatlich verordneten Zwangsadoption geworden ist. Sie fühlt sich um ihre Kindheit betrogen und begibt sich auf die Suche nach den Gründen und Schuldigen für ihr Schicksal.

Welchen Tipp würdest du einem Schreibneuling geben?

Ich bin doch selber noch ein Neuling, trotzdem wären meine ersten drei Tipps: lesen, lesen, lesen – und der vierte, beim Putlitzer Preis mitmachen.

Auch wenn ich um die Diskussionen über Schreibratgeber weiß, würde ich trotzdem dazu raten, sich ein solches Werk zu kaufen, um das Handwerk mit viel Übung zu erlernen. Im Netz findet man auch viele Tipps, allerdings auch viel Murks.

Entscheidend ist aber, dass man als Kind in den Topf mit dem Zaubertrank des Druiden Kreatifix gefallen sein sollte.

Wie bist du dazu gekommen, dich beim Putlitzer Preis zu bewerben?

Ich hatte auf der Website »Autorenwelt« von der Ausschreibung gelesen und mich über den Namen des Preises amüsiert. Als ich dann über die recht außergewöhnliche Verleihung las, stand für mich fest, da mitzumachen.

Zum Thema »Störung« fiel mir anfangs nichts Gescheites ein, bis ich eines Tages eine Seniorin aus dem Dorf, in dem ich wohne, dabei erwischte, wie sie ihre DDR-Kittelschürzen im Container der Kleiderspende versenkte. Auf meine Frage, wer denn so hilfsbedürftig sein soll, um diese Teile zu tragen, hielt sie mir einen Vortrag, dass ich als Zugezogener aus der Stadt mich erst einmal anzupassen hätte, ehe ich die große Klappe riskieren dürfte. Sie sagte das natürlich bloß im Spaß, aber genau in diesem Moment hat es bei mir im Kopf »Klick« gemacht und ich habe noch am selben Tag angefangen, meine Kurzgeschichte zu schreiben. Kittelschürzen und Burkas wirken schließlich gleichermaßen asexuell.

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin so viel Erfolg!

Joan Weng

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