Alles ganz anders

Der Urlaub, oder besser gesagt der auf Reisen verbrachte Urlaub, ist die Zeit im Jahr, in der man alles anders macht als sonst. Aus Bürohockern werden Extremsportler, Arbeitstiere sind kaum vom Strandlaken wegzulocken, aus Eigentümern kuscheliger Reihenhäuser werden Bewohner miefiger Bettenburgen oder moskitoverseuchter Strandlodges in irgendeinem Entwicklungsland. Gleich nach der Ankunft schreiben sie auf, was beim Reiseveranstalter zu bemängeln ist, damit der Spaß im Nachhinein etwas billiger wird. Immerhin: Den Zaun um das Hotelgelände kennen sie auch von zuhause.

Wer zwischen Mückenverscheuchen, Baustellenlärmignorieren und dem Herausziehen von Seeigelstacheln aus den Füßen noch Zeit hat, der mag sich in „Die 13 ½ Leben des Käpt‘n Blaubär“ von Walter Moers  vertiefen. Darin lernt der geneigte Urlauber, dass auf Reisen noch viel Schlimmeres passieren kann.

In einer Nussschale dem alles verschlingenden Malmstrom entgegenzutreiben, zum Beispiel. Hätten die Zwergpiraten den Blaubären, damals noch ein Blaubärbaby, nicht gerettet, er hätte uns nie von den fliegengroßen Pirätchen erzählen können mit ihren Augenkläppchen und Holzbeinchen und Enterhäkchen, mit denen sie sogar Ozeanriesen angriffen.

Die Wohnung könnte mitten in einem Tornado liegen, wo die Wände vibrieren, alle naselang die Teetassen zu Bruch gehen und vor lauter Sand und Herumwirbeln alles knirscht und knackt. Oder auf der Moloch, dem größten jemals gebauten Schiff, von dem bisher keine Seele zurückgekehrt ist, die einmal an Bord gegangen war.

Doch Reisen hat nicht nur Schattenseiten. Wer freut sich nicht auf das leckere Essen im Hotel? Etwas in der Art war auch dem Blaubären beschieden. Die Feinschmeckerinsel machte aus ihm einen Gourmet. Im Ölteich ließen sich Gemüse aller Art frittieren, Früchte schmeckten nach Marzipan, und wenn der Blaubär Kakao wollte, schüttete er einfach ein paar Kakaobohnen in den Milchfluss. Tragisch nur, dass ihn die Insel (Gourmetica Insularis) am Ende auffressen wollte. Zu seinem Glück war ein Rettungssaurier (Pterodaktylus salvatus) namens ‚Deus ex machina‘ zur Stelle und rettete ihn in letzter Sekunde vor dem Verschlungenwerden.

Wie in jedem erfüllten Urlaub gibt es auch eine Liebesgeschichte in diesem Buch. In den Finsterbergen – dort besucht der Blaubär die Nachtschule des Prof. Dr. Abdul Nachtigaller – lernt er Fredda, die Berghutze, kennen. Sie ist zwar hässlich wie die sprichwörtliche Nacht, kann aber wunderbar dichten:

Blau muss mein Geliebter sein.
Blau wie süßer Blaubeerwein.
Blau wie Himmel weit und leer,
blau wie wildes, großes Meer.
[…]

Wenn Sie wissen wollen, wie es weitergeht, müssen Sie schon den „Blaubär“ lesen.

In diesem Sinne: Lassen Sie sich aus den Socken hauen von den „13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“, egal, ob sie aufs Wasser schauen in Ihrem Urlaub oder auf ein Bergpanorama oder nur auf die Bettenburg von nebenan. Und falls Sie quengelige Kinder dabeihaben, die Geschichten des Blaubären eignen sich hervorragend zum Vorlesen. 13 ½ Leben? Jeden Tag eines, und der Urlaub ist ruckzuck vorbei.

Machen Sie also in Ihrem Urlaub mal alles ganz anders als sonst. Und lesen Sie. Nur nicht vergessen: Niemals rückwärts finkeln!

Erfreuliche Lektüre wünscht
Ihre und Eure
Andrea Gunkler

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