Die Hoffnung stirbt zuletzt – Autoren und Pflanzen

Jetzt sitze ich hier schon wieder seit Stunden und suche den perfekten ersten Satz. Sowas wie „Es war eine laue Sommernacht und irgendwo bellte ein Hund.“ Warum beginnen Romane eigentlich nie mit „Der Ficus musste mal wieder gegossen werden.“ oder „Das Gestrüpp im Vorgarten hatte auch schon bessere Zeiten gesehen.“ oder „Gedankenverloren zupfte er die verblühten Reste aus Großmutters Alpenveilchen, streifte sich die Handschuhe über und zog das große Steakmesser geräuschlos aus dem hölzernen Messerblock.“(Ja doch: … und irgendwo bellte ein Hund.)

Warum findet man so selten Pflanzen in der Fiktion? Gut, zugegeben: Die Bibel ließ den Dornbusch brennen, der Kleine Prinz rennt seine Runden um den Baobab, die Bonanza-Brüder ritten um die Zäune ihrer vegetativ reichhaltigen Ländereien, Rotkäppchen sammelte Tannenzapfen im Mischwald und selbst im IKEA-Katalog haben die Werbetexter Pflanzen untergebracht: Fichte, Birke, Eiche, Ahorn. Gesägt, gewemst, gedrechselt.

In meiner eigenen Prosa gibt es leider keine mannshohen Wildblumenwiesen à la ‚Unsere kleine Farm‘. Wenn ich ehrlich bin, wäre der wahrhaftigste Satz, den ich schreiben könnte: „‘Die Hoffnung stirbt zuletzt‘, dachte der Drachenbaum und trennte sich schweren Herzens wieder einmal von einem Teil seiner Belegschaft.“ Das Prinzip Hoffnung, das Lebensmotto aller Pflanzen, die in meinen Haushalt hineingeboren oder adoptiert werden. Woanders stecken kleine Schildchen in der Blumenerde, auf denen liebevoll mit Kreide geschrieben steht, welche Gartenkräuter in dem jeweiligen Pott auf Ernte warten. Bei mir bleiben die Sauerstoff-Schleudern sich selbst überlassen und malen mit Chlorophyll Sätze auf die Täfelchen wie „Mieses Karma.“, „Biete Sinnkrise, suche Betreuung.“ oder auch „Rettet dem Rettich!“ Man munkelt, dass eine meiner Geranien beim Sturmtief ‚Ela‘ es mit den Worten „Da drüben möchte ich nicht mal tot über der Balkonbrüstung hängen …“ hinüber auf das Nachbargrundstück geschafft hat.

Tja. Bei mir geht’s in den Übertöpfen, in den Beeten und Blumenvasen eben zu wie in einem guten Krimi: Am Ende sind alle tot.

Da machste nix. Also ich mit Sicherheit nicht – oder zumindest, soviel ist sicher, das Falsche. Ich krieg‘ selbst die robustesten Photosynthetiker kaputt, Blatt für Blatt. Selbst Pflanzen für Anfänger stürzen sich in suizidaler Absicht von meiner Fensterbank; bei mir decken sich die Kakteen nachts mit Baby-Feuchttüchern zu, um ihr sicheres Ende noch ein wenig hinauszuzögern.

Hätte der liebe Gott mir die Verantwortung für die Vegetation auf der Erde überlassen, hätte ich am sechsten Tag als I-Tüpfelchen der Schöpfung eine Topfpflanze zum Dank hingestellt (nachdem ich fünf Tage lang das arme Ding von Pontius nach Pilatus verschoben hätte, um den optisch richtigen Standort auszuwählen). Am siebten Tag hätte Gott sich ausgeruht, die Pflanze auch. Für immer. Exitus nach Exodus.

Ich bin dann gezz auch mal wech. In den Baumarkt. Zur Grünpflanzenfachbegießerin meines Vertrauens. Es soll da so eine Neuzüchtung geben … Ihr wisst ja: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

In diesem Sinne,
Ihre/ eure Claudia Kociucki


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Ein Gedanke zu „Die Hoffnung stirbt zuletzt – Autoren und Pflanzen“

  1. Hömma innen Baumarkt? Wat willse da denn? Dübel kaufen, damitte dain Grünzeuch anne Wand peppen kanns, oder wat?
    Wie alt bisse denn? Schon mal wat vonne Gärtnerei gehört? Ne? Dachte ich mir schon. Baumarkt, Grünpflanzenfachbegießerin, wattet allet gibbt, dat gibbet ja nich. Wennse waiter innen Baumarkt am wetzen gehs, um Grünpflanzen für die eigene Bude zu kaufen, nimmse am Besten wataus Plastik, dat hält sich.
    Is doch wahr, da könnt ich doch sonnen Hals kriegen, in Baumarkt, ne, sowat!
    Amos

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