„Erfolgreiche Selfpublisher verstehen sich auch immer als Unternehmer“

 

 

Ingrid Haag im Gespräch mit Susanne Pavlovic – Teil 2

Teil 1 ist hier nachzulesen

Susanne, du hast uns dargelegt, dass wir einen sehr freien Buchmarkt haben, in dem es jeder und jede mit Fleiß und Talent zu etwas bringen kann. Lass uns das Thema Selfpublishing näher betrachten.

Was ist aus deiner Sicht besonders wichtig, damit ich als Selfpublisherin auch Erfolg habe?

Der Erfolg im Selfpublishing steht und fällt damit, ob die Autorinnen und Autoren sich als Unternehmer begreifen oder nicht. Wer im Selfpublishing Erfolg haben will, muss bereit sein, unternehmerisches Risiko zu tragen. Erfolgreiche Selfpublisher haben für jedes Projekt einen Mini-Businessplan: Auf einem Sockel aus Investitionen in die Qualität des Buches (Lektorat, Cover, Satz) kommt ein Posten „beweglicher“ Investitionen – in Werbung, Marketing, Social-Media-Aktionen. Es gibt auch spezielle Marketingagenturen, die Bücher sichtbar machen und damit die Verkäufe ankurbeln. Im Idealfall wird durch diese beweglichen Investitionen der Verkauf so weit angekurbelt, dass das Buch in die Gewinnzone kommt.
Wichtig ist auch, dass Selfpublisher sich klarmachen, dass der Weg zum Erfolg kein Sprint ist, sondern ein Marathon. Erste Romane sind selten ein wirtschaftlicher Erfolg. Der stellt sich meist nach dem zweiten oder dritten Roman ein, ist dann aber auch nachhaltig. Wer sich als Verlagsautorin bereits eine feste Fanbase aufgebaut hat, die er oder sie dann auch für das selbst publizierte Projekt aktivieren kann, dem kann auch gleich mit dem ersten Versuch ein guter Erfolg gelingen.

Wie steht’s denn mit all den Selfpublishing-Dienstleistern? Sind das die neuen Druckkostenzuschussverlage?

Nein, und wären Satzzeichen Rudeltiere, würde ich hier drei Ausrufezeichen setzen.
Selfpublishing-Dienstleister gibt es mit ganz unterschiedlichen Ausrichtungen und Angeboten. Es gibt Spezialisten, Coverdesigner, Lektorinnen, Buchsetzerinnen, die sich in diesem Bereich positioniert haben und viel Erfahrung bezüglich der Bedürfnisse und Arbeitsabläufe von Selfpublishern haben. Es gibt die großen Player wie BOD, wo ich mein Buch komplett herstellen und betreuen lassen kann, oder Plattformen wie tolino, über die ich meine Bücher verkaufen kann. In jedem Fall haben diese Anbieter, egal ob groß oder klein, klar umrissene Kostenstrukturen. Ich bezahle einen Preis X für eine Dienstleistung Y – so als würde ich mir einen Anzug schneidern oder mein Bad neu fliesen lassen. Als Selfpublisherin, die sich als Unternehmerin versteht, kaufe ich mir so Expertise für mein Projekt ein, die ich selber nicht habe.
Druckkosten-Zuschussverlage hingegen arbeiten betrügerisch. Sie nutzen die fatale Kombination aus Ahnungslosigkeit und Hoffnung bei Neu-Autoren, füttern sie mit vollmundigen Versprechungen an und ziehen ihnen dann das Geld aus der Tasche für keine oder völlig überteuerte Leistung. Zum Glück sind die DKZV deutlich auf dem Rückzug, seit es das digitale Selfpublishing und Print-on-Demand gibt.
Ich will an dieser Stelle auch nochmal eine Lanze für die „DKZV-Opfer“ brechen. Ganz viele Menschen träumen davon, ein Buch zu schreiben. Die wenigsten tun es tatsächlich, und von denen sind die wenigsten wirklich gute Autoren. Das Blöde ist, im Vergleich zum Klavier höre ich auf der Tastatur den Fehlton nicht, wenn ich daneben haue. Und die Verlagsbranche lässt sich heute noch schwer in die Karten schauen. Es ist also nicht einfach, überhaupt erst einmal herauszufinden, wie mein Text sein muss, damit er genügt.
Kürzlich schickte mir eine junge Frau ein Manuskript zur Begutachtung, das, nun ja, ambitioniert war und sicher mit viel Liebe verfasst. Zur Veröffentlichung geeignet war’s nicht. Sie schrieb mir, sie würde das Manuskript gerne bei Piper unterbringen, um von den Tantiemen ihr Studium zu bezahlen. Natürlich kann man über so jemanden die Augen rollen, aber man kann sich auch in die Lage der jungen Frau versetzen. Ich konnte ihr diesen Zahn ziehen – ich war vorsichtig, aber wehgetan hat’s vermutlich trotzdem. Unterm Strich ist mir aber lieber, dass irgendwo ein junges Ding sitzt und stinkig auf mich ist, als wenn sie einem Abzocker in die Arme gelaufen wäre.

Gibt es Themen, die sich besonders gut fürs Selfpublishing eignen? Und welche, die so gar nicht passen?

Das kommt immer drauf an, was man im Selfpublishing erreichen will. Will ich kommerziell schreiben und ein breites Publikum ansprechen, muss ich (letztlich wie in der Verlagswelt auch) Genreliteratur produzieren: Thriller, heiteren Liebesroman, Romance-Fantasy. Ich kann aber auch mit individuellen Projekten eine sehr klar umrissene Zielgruppe bedienen. Das ist dann „Nischenliteratur“, die keine riesigen Auflagen zu erwarten hat, deshalb auch für die Publikumsverlage nicht interessant ist, die aber solide ein paar tausend Leser erreichen kann. Wir haben in diesem Bereich auch Autorinnen und Autoren, die von Haus aus eigentlich gar keine sind, sondern Speaker, Beraterinnen, Spezialistinnen auf ihrem Gebiet, und die das Selfpublishing nutzen, um ihre gesammelte Erfahrung und Erkenntnis in ein Buch zu verpacken. Die haben dann innerhalb ihrer eigenen Zielgruppe eine sehr hohe Marktdurchdringung.
Vielleicht ist es eher so, dass es Autoren gibt, die schlecht ins Selfpublishing passen: Das sind die, die nichts tun wollen als schreiben. Die werden mit der höheren Verantwortung, mit der fehlenden Unterstützung, mit der Vielfalt der Jobs rund um die Veröffentlichung nicht glücklich – jedenfalls nicht, wenn sie sich gute Verkaufszahlen erhoffen. Ins Selfpublishing passt, wer entweder Spaß am Buchmarketing hat, oder wem es wurscht ist, wie die eigenen Bücher „performen“.

Vielen Dank für das Gespräch, Susanne!

Susanne Pavlovic im Netz: www.textehexe.com; www.textehexe-fantasy.com

 

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