„Christoph, du bist ja so blöd! Jetzt pass mal gut auf.“
Ständig sagt mir einer, dass ich die Fresse halten soll. Das nervt langsam. Ich nehm mal noch eine Cabanossi, stehen sowieso viel zu viele auf dem Tisch. Mit dem Zahnstocher spieße ich eine der Minisalamis auf, stecke sie in den Mund und fixiere die Tischplatte. W. hat seine Aufmerksamkeit wieder meinem Text zugewandt, aber das macht es auch nicht besser.
„Diese Figur da, dieser … wie heißt der gleich wieder? Ach ja – sehr originell übrigens – Robert Koch! Ganz ehrlich, dein Robert ist ein einziges Klischee. So geht das einfach nicht.“
Zustimmendes Gemurmel von links und rechts. Ich spieße eine weitere Cabanossi auf und tue so, als ob ich nachdenken muss. Scheiße. Das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt.
Kurz vorher
Premiere. Heute werde ich mein erstes TAW bestreiten. Endlich. Da habe ich so lange drauf gewartet. So lange, dass ich irgendwann dachte, was soll’s, wenn gar nichts mehr geht, dann lade ich die Leute eben zu mir nach Hause ein. Musste ich dann zum Glück nicht, bin auch kein guter Gastgeber. Ulli schon. Kocht unheimlich gerne, unheimlich gut und unheimlich viel. Und alles lecker. Jedenfalls sitzen wir dann am Freitagnachmittag bei Ulli und Claus im Esszimmer, Beate, Stefanie, Christian, Wolf P, Jo und ich. Jeder hat Textauszug, Exposé und eine Hausaufgabe rumgeschickt, damit sich die anderen ein Bild machen konnten. Naja, zumindest fast jeder. Und dann begann um halb fünf die Besprecherei. Wir klopfen zuerst Beates Konzept ab. Ganz verstanden habe ich es bis heute nicht, aber ich find’s trotzdem geil. Toller Text, schön geschrieben, atmosphärisch dicht, sprachlich gut. Die anderen sehen das anscheinend anders, hacken ganz schön auf ihr herum, zumindest ist das mein Eindruck. Bis ich merke, dass die Kritik ziemlich gut auf den Punkt kommt und Beate auf die Äußerungen der anderen unglaublich gelassen reagiert. Sie will den Roman endlich beenden, hat schon ein paar hundert Seiten geschrieben. Na, dann schreib ihn halt zu Ende. Danach bin ich dran. Und dann trinke ich mein erstes Glas Wein an diesem Tag. Wie viele ich insgesamt trinke, weiß ich nicht mehr, aber es sind nicht ZU viele, denn ich fahre am gleichen Abend zurück nach Bochum.
Wolf P kennt seinen Roman so gut, dass mir die Unkenntnis meines eigenen peinlich ist. Struktur, Figuren, Plot, alles ist schon vorhanden und macht einen soliden Eindruck. Die anderen finden trotzdem noch genug Kleinigkeiten, die man ändern könnte oder sollte oder auch nicht. Es geht irgendwie auch um die Vermarktung und die ist ja nicht ganz unwichtig. Finde ich jedenfalls.
Am meisten überrascht mich Jos Konzept. Der schreibt an einem Zombie-Western. Ehrlich wahr. Das ist ein etabliertes Genre auf dem Markt. Sachen gibt’s. Jo trifft erst spät ein und so richtig lernen wir uns erst am Samstagabend kennen, nach dem ich-weiß-nicht-wievielten von Christians Bieren. Apropos Christian: Ich bin immer noch völlig fasziniert von der schieren Menge an Recherche, die der betrieben hat. Der ist quasi zum Experten für sein Thema geworden. Keine schlechte Idee, aber vielleicht hat er es auch ein bisschen übertrieben. Vielleicht auch nicht. Stefanie geht vollkommen anders an die Sache heran. Sie kommt ja aus der Theater-Ecke und denkt eben auch wie jemand, der aus der Theater-Ecke kommt. Ihre Romanidee fasziniert. Und man merkt Stefanie an, dass es sich dabei um eine sehr persönliche Angelegenheit handelt, die ihr am Herzen liegt. Stefanie sagt Dinge wie: „Wenn das nicht als Roman geht, dann mache ich daraus ein Theaterstück.“ Und sie meint das wirklich ernst. Und das finde ich geil. So muss das sein.
Und ich finde auch, das ein TAW wehtun darf. Ich finde es fantastisch, dass sich die anderen so intensiv mit meinem Romankonzept auseinandergesetzt haben. Und dass sie versuchen, mich am Ende wieder zusammenzuflicken. Das ist echt nett. Dabei ist das gar nicht nötig. Ich habe so viele neue Wege aufgezeigt bekommen, ich werde das Ding schon rocken. Und der Name bleibt. Robert Koch. Punkt. Und Fresse!
Ihr Christoph Junghölter
Hey Christoph, einfach mal die Fresse halten, sagte schon Dieter Nuhr, einstmal. TAW, ist vielleicht eine geläufige Abkürzung, aber nicht jederman bekannt. TextArbeitsWochenende, richtig? Bisher habe ich das noch nicht mitgemacht. Jetzt habe ich eine ungefähre Ahnung, was auf mich zu kommt, wenn ich mal zu einem TAW gehen sollte. Eine ordentliche Portion Gelassenheit, Kritikfähigkeit und gut essen und trinken, ist als Grundvoraussetzung, neben dem Text,mit zu nehmen.
Vielen Dank für Deinen ganz persönlichen TAW- Eindruck.