Ingrid liest: John Katzenbach – Die Grausamen

Endlich wieder Venedig! Ich würde mich dieses Mal vorbereiten, in die Stadt einlesen. So der Plan. Aber mit keinem der Bücher wollte es hinhauen. Der Klassiker war mir zu altmodisch, der Liebesroman zu nichtssagend, und dass Venedig eine Verführung ist, fühle ich auch ohne Anleitung. Statt einhundertelf Orte zu besuchen, die ich gesehen haben sollte, vertrieb ich mir meine – dort besonders rare – freie Zeit mit John Katzenbachs erstem Ermittler-Krimi. Kontrastprogramm? Aber hallo!

Abteilung: Cold Cases. Zwei abgehalfterte Ermittler: Gabe, Alkoholiker, nach einer Familientragödie traumatisiert, Marta, Latina, Ex-Drogenfahnderin, die versehentlich ihren Partner erschossen hat. Eigentlich sollen die beiden in ihrem – logo! – spartanischen Büro nichts kaputtmachen, nichts aufrühren, unauffällig vor sich hin büßen. Das klappt natürlich nicht. Held und Heldin entdecken genau den Fall, in dem es sich nachzuforschen lohnt:

Vor zwanzig Jahren verschwand die dreizehnjährige Tessa spurlos in ihrem noblen Wohnort, auf dem Weg von ihrer besten Freundin nach Hause. Der Fall wurde nie aufgeklärt, die Familie des Mädchens zerbrach daran. Bei ihren Recherchen finden Marta und Gabe eine neue Spur: Kurz nach Tessas Verschwinden wurden vier junge Männer brutal ermordet. Möglicherweise gibt es eine Verbindung zwischen diesen Verbrechen – und zu den Ermittlern, die den Fall Tessa damals ohne Erfolg untersuchten. Ziemlich schnell wird Marta und Gabe klar, dass die Polizeiführung gar kein Interesse an der Wahrheit hat.

„Keine neuen Ideen“, „immer die gleichen Abziehbilder“, hörte ich kürzlich über dieses Buch. Zugegeben, auf den ersten Seiten hatte ich ähnliche Gedanken. Und natürlich dachte ich, die Auflösung sei von Anfang an sonnenklar. Sie denken das auch? Tja, dann kennen Sie John Katzenbach nicht. Der Thrillerprofi zieht uns langsam hinter die Fassade einer heilen Familie – und mitten hinein in alte Verbindungen und Intrigen bei der Polizei. Marta und Gabe lassen nicht locker, sie werden bedroht, geraten in Gefahr … In meinem Kopf ergänzen sich die Bilder aus dem Krimi und die aus der Umgebung zu einem perfekten Mosaik. Urlaubseffekt? Sei’s drum.

Sie müssen nicht nach Venedig reisen, um Spaß an diesem Krimi zu haben. Aber falls Sie’s planen: Am besten in der Nebensaison, wenn’s die denn gibt, unbedingt für mehr als einen Tag, abseits der … Aber das führt jetzt wirklich zu weit.

Ihre Ingrid Haag

 

 

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