Joan liest gerade: Madame Nielsen – Das Monster

Mein zweites Söhnchen wird heute eins, und seit zwei Wochen kann es wieder etwas Neues: Es schläft durch. Von abends sieben bis morgens halb sieben – einfach nur herrlich, sag ich Ihnen. Aber das Herrlichste ist, dass ich noch nicht wieder durchschlafe. Nacht für Nacht wache ich Schlag 00:43 Uhr auf und wundere mich, warum mein Sohn noch keinen Hunger vermeldet hat, und da ich dann schon mal wach bin, kann ich auch aufstehen und ein bisschen lesen. Ganz allein, ganz in Ruhe – nur ich, eine dampfende Tasse Tee und manchmal, aber nur manchmal, unsere Katze zur Gesellschaft. Seltsam ist so ein schlafendes Haus, und vielleicht liegt es an jener nächtlichen, träumerischen Stimmung, dass mich Madame Nielsens zweiter Roman Das Monster so fasziniert hat?

Madame Nielsen, ihres Zeichens Autorin, Sängerin, Künstlerin, Performerin, erzählt in dem schmalen Bändchen von alledem: vom Schreiben, Singen, Performen und von der Kunst. Dabei ist ihre Geschichte im Grunde nicht besonders originell. Ein junger Mann will in den frühen 90er-Jahren die New Yorker Kunstwelt erobern und ist dafür zu allem bereit. Seit Heinrich Manns Im Schlaraffenland ist meiner Meinung nach zu dem Thema restlos alles gesagt, und doch gelingt es Nielsen, mit ihrer eigentümlichen, halb sperrigen, halb einlullenden Sprache zu faszinieren und zu bezaubern. Während mir der Protagonist seltsam gleichgültig blieb, konnte ich doch nicht aufhören zu lesen. Ein träumerischer, rauschhafter Nebel liegt über der gesamten Erzählung, es zog mich von Seite zu Seite.

Für mich war der Roman ein absolutes Highlight, doch ein Freund, dem ich das Buch begeistert lieh, hat es mir nach zwei Tagen zurückgegeben. Kommentar: unlesbar, langweilig, banal, lächerlich artifizielle Sprache. Vielleicht hat er recht, vielleicht ist der Roman bei Tageslicht wirklich nur eine banale Geschichte in Endlossätzen erzählt? Aber eines weiß ich doch, wenn Sie um ein Uhr nachts etwas zu lesen suchen, dann lesen Sie Madame Nielsens Das Monster. Sie werden es nicht bereuen!

Ihre

Joan Weng

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