Pflanzenfreunde und Pflanzenfreuden – Autoren und Pflanzen

  • Palme_2

Nein, ich habe keinen grünen Daumen. Ich bin schuldig des Massenmordes an einer ganzen Reihe von Topf- und Balkonpflanzen. Naja, eigentlich ist es ja kein Mord, eher eine Art Sterbehilfe. Unsere grünen Freunde verhungern bzw. verdursten einfach sang- und klanglos. Kein Gejammere, keine Schmerzenslaute. Ob Pflanzen leiden? Also ich weiß nicht. Immerhin, vorstellbar ist es.

Die erste Pflanze (soweit ich mich erinnere), die mir aus Versehen weggestorben ist, war ein Geburtstagsgeschenk einer sehr guten Freundin. Das war so eine chinesische Geldpflanze. Vier einzelne Palmenstränge werden zu einem einfachen Zopf geflochten und wachsen dann gemeinsam weiter in Richtung Licht. Ich kann mich noch gut erinnern, wie einer nach dem anderen der vier kleinen Rabauken weich, morsch und dann schwarz und gammelig wurde. Dabei hatte ich beim ersten Anzeichen alles in meiner Macht Stehende versucht: Erstmal mehr Wasser, dann weniger Wasser und zum Schluss gar kein Wasser mehr. Aber irgendwie war alles falsch. Oder schon zu spät. Oder ich weiß auch nicht. Aber ich kann mich noch gut an den entrüsteten Gesichtsausdruck der Schenkerin erinnern, als sie der kümmerlichen Überreste ansichtig wurde.

„Wie hast du das denn geschafft?“, blaffte sie. Aber das wusste ich ja leider nicht.

Ganz anders einer meiner besten Freunde. Nennen wir ihn der Einfachheit halber M. Bei dem wächst alles, was Wurzeln hat. Am besten erinnere ich mich an das höchst erfreuliche Wachstum einer Engelstrompete. Er hatte ein riesiges Exemplar mit rosa-weißen Blüten auf dem Balkon stehen. Eines Tages suchte der Nachbar – ein pensionierter Ordnungshüter – M.s Eltern auf, um sich eine Tasse Mehl oder irgendwas in der Art zu borgen. Er fragte M.s Eltern, ob sie von der Pflanze wüssten und ob sie auch wüssten, dass man die rauchen könne. Dass man sie aber auf gar keinen Fall rauchen dürfe, da die Gefahr einer Überdosierung viel zu groß sei und immer mal wieder Leute, die es doch wagten, mit Vergiftungserscheinungen im Krankenhaus landeten.

Als M. von dem Vorfall berichtete, haben wir ziemlich lange und ziemlich laut gelacht. Denn die auffällige Engelstrompete (sowie ein bis zwei weitere, harmlose Büsche) diente der Tarnung einer ausufernd in alle Richtungen sprießenden einzelnen Hanfpflanze. Das Ding hörte einfach nicht mehr auf zu wachsen, breitete sich zunächst in die Höhe und nach dem fachgerechten Beschneiden in die Breite aus. Bis zur Erntezeit war ein daumendicker Strunk quer über die Balkontür gewachsen. Getrocknet und fermentiert hat sie uns monatelang viel Freude geschenkt. Absolut fantastisch. Meine eigenen Versuche der privaten Hanfzucht, die niemals stattgefunden haben, wären wohl kläglich im Sande verlaufen. Ich stelle mir gerade ein dünnblättriges, windschiefes, völlig blütenloses Exemplar von Cannabis sativa vor. Eher gelb als grün. Einfach nur traurig.

Gut zehn Jahre später haben meine Frau und ich stillschweigend vereinbart, keine weitere Sterbehilfe zuzulassen. Wir sind da ganz Klischee: Mann schleppt – wenn es die Umstände erfordern – frische Erde oder einen Kübel in den dritten Stock, Frau hegt und pflegt.

Manchmal kommt es jedoch vor, dass ich mit den grünen Freunden für einige Zeit alleine gelassen werde. Das ist äußerst heikel und dann hilft nur eins: eine detaillierte Aufstellung über Zeit, Ort und Volumen der zu vergießenden Wassermengen. Das klappt. Bisher sind keine weiteren Todesfälle zu beklagen. Auch wenn mal zwischendurch einer schwächelt: Am Ende wird immer alles wieder gut. Toi-toi-toi.

Ihr Christoph Junghölter

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