Eigentlich ist es ja einer der vielen Vorteile des Autorenberufs, dass man ihn überall ausüben kann. Mehr als einen – nach Möglichkeit spitzen – Bleistift und irgendetwas Beschreibares braucht es im Grunde nicht. Remarque soll die ersten Sätze seines Meisterwerkes „Im Westen nichts Neues“ gar auf die Rückseite einer Speisekarte notiert haben. Aber da wären wir schon beim springenden Punkt: die ersten Sätze. Die restlichen Sätze, die hat er vermutlich zu Hause geschrieben. In Ruhe.
Gut, die mag nicht zwingend nötig sein, Joseph Roth beispielsweise brauchte den Kaffeehauslärm im Hintergrund mindestens so dringend wie einen regelmäßig an den Tisch gebrachten Kognak, aber der Lärm war doch ein ihn im Grunde nichts angehender. Zumindest solange es keine Kneipenschlägerei gab, saß er doch ganz ungestört und obendrein noch bedient.
Ungestörtheit ist etwas, das ich mir für meine Autorentätigkeit in letzter Zeit auch immer mehr gewünscht habe. Ich habe bekanntlich zwei kleine Buben, der Ältere geht in den Kindergarten, der Jüngere wird an zwei Vormittagen und einem Nachmittag bei uns zu Hause familiär betreut, damit ich arbeiten kann. Ein absoluter Luxus, und doch halt irgendwie auch nicht.
Kaum sitze ich am Schreibtisch, kommt die Frage: „Möchtest du eine Tasse Tee?“ „Nein, danke!“. Nach zehn Minuten, ich beginne gerade mich einzudenken: „Ich hab dir doch einen gemacht. Was schreibst du denn gerade? Du bist gerade beim ersten Weltkrieg? Du, da habe ich neulich einen Film gesehen…“ Schon sind zwanzig Minuten rum, aber dann, dann geht es los!
Zumindest fast, weil dann gibt es Brezeln. „Aber du setzt dich doch dazu? Nein? Ja, klar das versteh ich. Ich bring dir deine dann einfach“ „Mamaaaa! Maaaaaaaaamaaaaaaaaa. Ich will zur MAAAAAAMAAAAAAAAA!“ „Mama? Mama, Knuffel hat geweint, aber ich hab ihn getröstet und ihm gesagt, dass er dich nicht stören darf, weil du arbeitest. Was schreibst du denn da? Opa hat Brezeln mitgebracht? Ich bring dir dann eine? Oder setzt du dich zu uns.“
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe meine Söhne, meinen Vater und sogar Brezeln esse ich gerne – aber ich wurde zunehmend panisch. Wann nur sollte ich meinen neuen Roman schreiben?
Einen Büroraum mieten? Das konnte ich mir nicht leisten, außerdem habe ich ja nur 4 Stunden pro Betreuungszeit, wenn ich dann eine Stunde Fahrzeit habe…
Ich war wirklich ziemlich bedrückt, besonders, weil ich ja eigentlichluxuriös viel Hilfe hatte und trotzdem nicht vorankam.
Und dann hatte ich heute Morgen einfach mal wieder Glück! Ich habe einen Aushang am deutsch-französischen Institut gesehen, seit dieser Woche dürfen die Arbeitsplätze mit G3 Nachweis wieder genutzt werden. Ein kostenloser Schreibtisch, mit Steckdose, nur fünf Minuten zu Fuß!
Und wenn mich jetzt gleich mein Vater, meine Söhne und eine Brezel abholen, dann habe ich einen Blogbeitrag und fünf Seiten geschrieben. Was ein Wunder!
Ihre Joan Weng
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