Was Edgar Allan Poe und Heinrich Heine mit New York zu tun hatten

Im Oktober dieses Jahres löste ich ein Versprechen ein und reiste mit unserer Tochter nach New York. Ganz klar, dass wir das meiste gemeinsam unternahmen, aber für einiges hatte ich mir doch Freiraum ausgebeten, unter anderem für die Spurensuche zu Edgar Allan Poe und Heinrich Heine. Dass der Erste etwas mit New York zu tun gehabt haben könnte, ist naheliegend, aber der Zweite? Doch alles der Reihe nach.


Ich machte mich also auf den Weg in die Bronx. Die Metro fährt in der Bronx oberirdisch, was sehr schön ist, weil so ein erster Eindruck von diesem riesigen Stadtbezirk allein durch Aus-dem-Fenster-Gucken geboten wird. Mein Plan: Ausstieg in der Kingston Road und dann ein paar Hundert Meter laufen bis zum Poe-Park. Genau da wollte ich hin und das Edgar-Allan-Poe-Cottage besuchen, das Haus, das der Dichter bis zum Tod seiner Frau bewohnte. Die Anschrift lautete ehemals „Fordham bei New York“, aber inzwischen hat sich die Stadt so ausgeweitet, dass es dieses ehemalige Dorf eingeschlossen hat. Im Cottage soll ein Museum eingerichtet sein, steht in diversen Reiseführern und auch in der Wikipedia. Was ich vorfand, war ein völlig heruntergekommener Schuppen, dazu noch abgesperrt. Er soll renoviert werden, informiert eine Tafel, aber erst 2023. Ich weiß nicht, ob ein Zollstock für mein langes Gesicht gereicht hätte. Auch das in Sichtweite liegende Poe-Center gab nicht viel zum Dichter her, aber ich hätte dort Fitnesskurse buchen können.

Also wieder zur Metrostation und zurück, was sich aber als nicht so einfach herausstellte. Zurück fuhr nämlich keine Bahn von dieser Station ab. Die völlig genervte Frau am Infoschalter brüllte bereits, bevor eine Person herantrat: „No Downtown“, und das jede Minute. Ich kannte das Spiel zum Glück schon von einer anderen Metrostation, fuhr eine Station in die entgegengesetzte Richtung, stieg um und fuhr zurück bis zum Yankee-Stadion. Von dort ging ich wiederum ein paar Hundert Meter bis zum Joyce-Kilmor-Park, um die Heinrich Heine gewidmete Lorelei-Statue zu sehen. Sie leuchtete mir im prächtigen Weiß entgegen, war allerdings auch eingezäunt, weil ab November alle Statuen des Parks renoviert werden sollen. Ich fand, sie sah noch ganz ordentlich aus. Wie kommt eine Heine gewidmete Statue nach NYC? Ursprünglich war sie für Heines Geburtsort Düsseldorf zum 100. Geburtstag des Dichters gedacht. Als der beauftragte Künstler die Statue fertig hatte, verhinderte antisemitische Agitation im Deutschen Reich die Aufstellung. Also wurde sie nach New York verschifft und im Beisein des Bildhauers Ernst Herter zwei Jahre später, am 8.7.1899, aufgestellt. Der Park selbst ist ansehnlicher als der Poe-Park, und weil sich der Herbst durch viele bunte Farbflecken ankündigte, drehte ich noch eine Runde, bevor ich die Rückfahrt nach Manhattan antrat.

Ob Heinrich Heine dieses Denkmal in Amerika gefallen hätte? In einem Brief reagierte er auf Nachrichten über Sklaverei und den Umgang mit Sklaven mit dem Aufschrei: „O Freiheit! Du bist ein böser Traum!“

Tage später stieß ich dann in Upper-West-Side auf die Edgar Allen Poe Street – oder unprosaischer: die 84. Straße dort. Immerhin.

Bis zum nächsten literarischen Reisebericht

Ihr Horst-Dieter Radke

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