Jürgens Liebesgeschichte
Eines Morgens wachte Soraya aus unruhigen Träumen auf und hatte einen Orgasmus.
„Im Schlaf, ohne dass ich was Böses getan hätte. Aber einen von der heftigen Sorte, so mit bebender Erde, 3-D und Cinemascope, mir wird jetzt noch ganz anders, wenn ich davon erzähle.“
Ich war gerade dabei, die Schiebetüren unseres Wohnzimmers anzustreichen: kristallweiß, weil Soraya die eddelige Elfenbeinfarbe nicht mehr ertragen konnte. Sie liebte das blendendst mediterrane Weiß, das schon ins Bläuliche des Himmels überging. Nur das Streichen der schmalen Holzleisten, die die vier Eisglasscheiben hielten, war etwas frickelig. Moment:
„Du meinst 4K, Cinemascope gibt’s doch seit Ewigkeiten nicht mehr.“
„Nee, Cinemascope oder besser Agfacolor, wie Horst-Dieter sagt, ist schon richtig, totaler Farbkitsch, wie in diesen Ewig-blüht-der-Flieder-Filmen. Ich bin Zeuge, mit Leib und Seele, und bei vollen Sinnen, jedenfalls bis zu dem Moment, wo ich aufwachte.“
„Einfach so?“
„Ohne, dass ich einen Finger rühren musste.“
„He, das reicht nicht, seine Hände einfach in den Schoß zu legen, diese Schiebetüren sind der beste Beweis, die streichen sich auch nicht von alleine.“
„Jetzt klickert’s bei dir. Das dachte ich auch, aber dann überkam es mich, erst kaum einen Hauch, aber dann. Ach, Wolf, ist mir das peinlich.“
Sie erzählte, wie sich Lust und Wonne zu einem Molotowcocktail mischten, Anwandlungen von Unsterblichkeit aufwallten und alle Spannungen in einem Feuerwerksblütenregen zerflossen. Sie: „Ein bisschen blumig, aber so könnte man es ausdrücken.“
Ich: „Wie gern hätte ich Mäuschen gespielt.“
„Selber schuld, aber wenn du mal pennst, kann man neben dir Kanonen abschießen.“
Mist. Neben mir die Kanonade von Soraya und ich konnte nicht mal sagen, dass ich dabei gewesen wäre.
„Und, Ehrenwort, ich bin in keiner Weise selbst aktiv geworden, mein Leib hat mich überrumpelt und sein Ding durchgezogen.“
Hm, geht denn so was überhaupt?
„Ihr Männer habt doch auch eure nächtlichen Ergüsse.“
„Aber die kommen ohne Tamtam und Molotow“
„Ach, Wolf, kannst du mir helfen?“
Mal überlegen. Ich tunkte den Pinsel ins Kristallweiß, zog die Leiste entlang, und dann hatte ich es, einfach so, als Verlängerung des Farbstrichs:
„Soraya, das war ganz einfach … höhere Gewalt.“
„Wie, du meinst, das war …“
„… die Liebe.“
Wow. Sie fiel mir um den Hals.
Ich dann noch: „Geht doch nichts über die Beherrschung eines Handwerks.“
„Und weiße Schiebetüren“, sagte Soraya, „so weiß, dass mir schon wieder ganz anders wird.“