„Wenn man spürt, hier findet jemand seinen Ton, sein Sujet, hier kann sich eine Autorin, ein Autor entfalten, dann ist das einfach beglückend, großartig.“

AU_Kloepfer_c_Burkhard_Riegels

Ein Interview mit Hubert Klöpfer

Foto: Burkhard Riegels

Im Dezember 1991 gründeten Hubert Klöpfer und Klaus Meyer das gleichnamige Verlagshaus. Getrieben von „der Lust am Entdecken und Bewundern“ wollte man Literatur, Sachbuch und Essayistik unter einem Dach vereinen, sich politisch einmischen und einfach bemühen, etwas wirklich Gutes zu machen. Heute, bald 25 Jahre, zahlreiche Buchpreise und einige interne Umstrukturierungen später, ist man sich noch immer treugeblieben.

„Herr Klöpfer, zunächst einmal eine etwas allgemein gehaltene Frage. Wie würden Sie persönlich Ihren Verlag beschreiben?“

„Wir unabhängigen, wir kleineren, wir inhabergeführten literarischen Verlage sind eine Art Randgruppe. Die Mehrheit der großen Verlage (außer Beck, Hanser, Suhrkamp) ist konzerniert, ist in Verlagsgruppen wie beispielsweise Holtzbrinck oder Bertelsmann/Randomhouse zusammengeschlossen. Als ‚kleiner feiner‘ kämpft man da gegen eine riesige, vor allem auch finanzielle Übermacht, aber andrerseits sind wir auch nicht so den Strukturen des Marketings unterworfen, wir sind – wie soll ich sagen: tendenziell idealistischer. Obwohl wir es uns im Grund viel weniger leisten können, kann man uns independents vielleicht als die eigentlichen ‚Entdeckungs- und Experimentierverlage‘ bezeichnen. Wir machen Herzblutbücher, Bücher fürs Denken ohne Geländer. “

„Und Ihr Verlagsprogramm umfasst dann alle Arten von Büchern?“

„Nein, auch wir sind ‚beschränkt‘, wir haben zwar mit einem schönen und auch recht erfolgreichen Kinderbuch angefangen, aber dieses ‚weite Feld‘ beackern wir nicht mehr.

Grundsätzlich versuchen wir jedoch immer das Besondere, die Entdeckung, die Überraschung zu bringen. Wir wollen unterscheidbar bleiben, wir wollen ein eigen-sinniges, eigen-ständiges Programm realisieren. In ihm versuchen wir die Essayistik, den Roman, das politische Sachbuch und auch ein wenig die Lyrik abzudecken.

Ein aktuelles Beispiel aus unserem Sachbuchprogramm: die „Geheimsache NSU. Zehn Morde, von Aufklärung keine Spur“. Da gelingt es uns bzw. unseren 13 Journalistenautoren richtig gut, Klöpfer & Meyers Anspruch auf essayistisch gute Lesbarkeit mit dem der entschiedenen politischen Einmischung zu verbinden. Dass dieses Buch zuletzt gerade auch die FAZ ausführlich besprochen und hoch gelobt hat – „dieses Buch kann gut belegen, was es behauptet“ -, das tut natürlich richtig gut. Eine Freude, wenn Qualität Anerkennung findet.“

„Manchmal, vermutlich ziemlich oft, können Sie als Verleger ja leider keine Anerkennung aussprechen, sondern müssen die von uns Autoren so gefürchteten Absagen erteilen. Eines unserer Vereinsmitglieder aber hat einmal eine von Ihrem Verlagshaus bekommen. Und obwohl so etwas ja nie eine schöne Erfahrung ist, meinte es, das wäre die individuellste, fundierteste und alles in allem ‚beste‘ Absage seiner ganzen Autorenzeit gewesen.“

„Das freut mich zu hören. Und ja, das ist für mich wichtig, dass mit unseren Absagen (wenn sie denn berechtigt ist) immer auch eine verdiente Wertschätzung übermittelt wird. Schließlich hat da ja jemand eine respektable Leistung gebracht, eine schriftstellerische Leistung, eine Ideenleistung. Und egal, wie ich persönlich dazu stehe, egal, ob mir das Ganze gefällt oder nicht, ich meine, eine solche Leistung ist grundsätzlich anzuerkennen. Da hat sich jemand Gedanken gemacht und traut sich damit nach außen. Womöglich ist er gescheitert, aber ich habe nicht das Scheitern zu bewerten. Als Lektor, als Verleger darf man zwar keine wohlfeilen Hoffnungen machen, aber es steht uns auch nicht zu, jemanden zu entmutigen. Deshalb gibt es bei uns auch keine Standardabsagen, es steht zwar oft etwas Ähnliches drin, aber es ist doch immer individuell, unsere Absage gewissermaßen auch relativierend.“

„Wie man sich bei Ihnen bewirbt, kann man ja auf der Website nachlesen. Woran scheitern denn die meisten der abgelehnten Manuskripte.“

„Ganz grundsätzlich wäre seitens der Bewerber ein größeres Interesse, ein größeres Wissen hinsichtlich unserer verlegerischen Ausrichtung wünschenswert. Von 100 eingereichten Manuskripten sind schon einmal 35 von vorneherein „fehlgeleitet“ – wir veröffentlichen nun mal keine Ratgeber für den Schachsport, keine historischen Romane und pflegen auch die Esoterik nicht. Wir verlegen zwar mit Freude, verlegen also überzeugtermaßen, Gedichtbände, aber die Lyrik ist die wohl schwierigste Gattung – auch auf dem Buchmarkt: „sie rechnet sich nicht“, nur seltenst jedenfalls, und entsprechend vorsichtig müssen wir da sein. (Wenn freilich all die Leute auch Gedichtbände kauften, die uns ihre Gedichte schicken, dann sähe das ganz anders aus.) Und: eine Autorin, ein Autor sollte von ihrem oder seinem Schreiben, seinem eingereichten Werk auch selbst richtig überzeugt sein. Verlage sind keine liebhaberisch-ratgebenden Schreibseminarbegutachter, sondern sie sind Unternehmen – und entsprechend wirtschaftlich müssen sie agieren. Manchmal spürt man schon in Anschreiben die ganze auktoriale Unsicherheit, ein Autor sollte aber wissen, vermitteln, warum er etwas so und gerade so geschrieben hat, dann auch dazu stehen. Und gewiss doch braucht ein Autor auch Geduld, kürzlich hat sich jemand bei uns beschwert, weil er nach drei Wochen noch keine inhaltliche Rückmeldung, kein ja oder nein von uns hatte. Gewiss, wir bemühen uns, zeitnah zu arbeiten, zu lesen, aber – so versuche ich unser Dilemma zu verdeutlichen: unser Manuskriptberg wächst und wächst, und unsere Lesezeit schrumpft und schrumpft. Wir bekommen pro Tag 6, 7, 8 unverlangt eingereichte Manuskripte, die lassen sich ‚zeitnah‘ gar nicht verschaffen. Und vor allem: unsere ganze ‚Altautorenschaft‘ schreibt weiter – und mehr als ein, vielleicht zwei, maximal drei Debüts schaffen es in unser Programm. 

„Und wenn es dann tatsächlich klappt?“

„Das ist immer wieder sehr spannend. Ab und an kommt das vor: Man liest in ein Manuskript hinein – und schon nach zwei, drei Seiten ist man elektrisiert, hat man das Gefühl, das könnte passen, darauf hat man doch gewartet! Dieser Überraschungsreiz, diese Freude am Entdecken ist eine der wenigen großen Freuden des Verlegergeschäfts. Wenn man lesend spürt, hier findet jemand seinen Ton, sein Sujet, hier entfaltet sich jemand schreibend, ja, das mitzuerleben ist beglückend, einfach schön.

Natürlich ist das Manuskriptbeurteilen (trotz vieler objektiver Maßstäbe) ein gehörig subjektives Geschäft. Und gewiss doch: auch Lektoren und Verleger kämpfen mit ihrer Tagesform, auch sie menscheln. Und gerade drum sollten sie ihre womögliche Lust an der Destruktion, am Verreißen unterdrücken – und Kritik immer auch wie mit einer Praline auf der Zunge formulieren. (Wobei: was schlecht ist, muss man auch schlecht heißen!)  

„Ihre Bücher sind immer sehr schön aufgemacht. Haben auch eine hervorragende Papierqualität.“

„Ja, darauf achten wir sehr. Wir ringen geradezu um unsere Buchästhetik. Was bei Weinflaschen die Etiketten, das sind bei den Büchern die Umschläge: Sie müssen nicht nur bloß ‚anspringen‘, sondern sie müssen in sich stimmig sein. Und bis man diese Stimmigkeit hat, das braucht manchmal seine Zeit: Einmal brauchten wir zum richtigen Umschlag geschlagene 18 Anläufe, 18 Entwürfe. Natürlich, und nicht ohne wirtschaftlichen Erfolg, verlegen wir auch e-books, aber unsere Büchermacherleidenschaft gehört dem gedruckten Buch: wie sich das anfühlt, wie das schmeckt.“

„Neben Ihren zahlreichen Neuerscheinungen bringen Sie auch eine kleine, aber sehr feine Klassikerserie: Die kleine Landesbibliothek.“

Ja, das ist eine 25bändige Serie, die einfach Leselust machen soll auf die badischen, schwäbischen Klassiker. In dieser Sammlung gibt es natürlich die Hauptverdächtigen, also Schiller, Hesse, Mörike und Hölderlin, aber eben auch unbekanntere, ganz zu Unrecht in Vergessenheit geratene Autoren. Jörg Wickram etwa, oder Hansjakob, Scheffel, Tony Schuhmacher, die Kinderbuchautorin, Ottilie von Wildermuth. Ein bisschen schade ist, dass der Buchhandel und die Leserschaft die Idee der Serie nur bedingt annimmt, in Tübingen gehen der Hesse und der Hölderlin gut, in Baden der Johann Peter Hebel, in Schwaben der Schiller und der Hauff. Schade drum, wir dachten uns das ein bißchen anders. Oder mit Lessing: wir wollen für diese Reihe weniger gelobt – und mehr gelesen sein.“

„Unbekanntes ist mein Stichwort: Was können Sie uns denn aus Ihrem Verlagsprogramm aktuell besonders empfehlen, natürlich ohne irgendeinen Autor zu vergrätzen. Mir persönlich ist auf Ihrer Website ja gleich der Bildband „Die Würde des Menschen ist tastbar“ aufgefallen. Eine Sammlung von Fotografien behinderter Menschen?“

„Ja, dieses Buch würde ich Ihnen gerne schon präsentieren, es erscheint erst im April – und wird auch ein ganz besonderes: es zeigt, ohne sie vorzuführen, behinderte Menschen in ihrer Schönheit, ihrer eigenen Schönheit. Keine Top-Models, sondern Charaktere.

Im Bereich der Belletristik sind wir mit unseren Frühjahrsbüchern  ganz gut aufgestellt. Sybille Knaus hat mit ihrem neuen Roman „Das Liebesgedächtnis“ zu uns gewechselt, die ersten Reaktionen darauf machen uns hoffnungsvoll. Dann gibt’s da Rainer Wocheles neueste Erzählung „Der Katzenkönig“, Joachim Zelters schon sehr gelobte Novelle „Wiedersehen“, den Roman „Wiederholte Verdächtigung“ der jungen Bremer Autorin Jutta Reichelt. Und ein wichtiger Titel, der gerade den Tukan-Preis erhielt: Nina Jäckles Roman „Der lange Atem“, ein Roman, der auf literarisch eindringliche, ganz eigene Weise die Katastrophe in Fukushima zum Gegenstand hat. Ein Roman auch über die menschliche Kraft des Durchhaltens, des Standhaltens.“

„Dann danke ich Ihnen sehr herzlich für das Gespräch und wünsche Ihnen, dass Sie auch weiterhin so erfolgreiche und schöne Bücher verlegen.“

Es fragte Joan Weng

Teilen:

Schreibe einen Kommentar