Ein Gespräch mit Gundi Herget, der diesjährigen Putlitzer Preis-Gewinnerin

Das Interview führte Joan Weng, Bildrechte bei Gundi Herget

Gundi

Gundi Herget, Jahrgang 1970, schreibt, seit sie das Alphabet beherrscht und seit dem Abschluss eines Germanistikstudiums auch zum Zwecke des Broterwerbs. Einer kurzen Findungsphase mit Ausflügen in eine Wirtschaftsredaktion und zu Frauenzeitschriften folgten zehn Jahre in der Reiseredaktion des ADAC Verlags und 2015 schließlich der Sprung in die Selbstständigkeit. Seit der Geburt ihres Sohnes kommen nicht nur oft Kinder, sondern auch immer öfter Ideen für Kinderbücher zu Besuch, die müssen natürlich aufgeschrieben werden! Das führte 2014 zur Nominierung für den Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis, und auch für das nächste Jahr ist bereits einiges geplant. Zwar gibt sich unsere Preisträgerin bis zur endgültigen Vertragsunterschrift noch sehr diskret, aber man darf bereits gespannt sein.

Nach sehr frühen Romanversuchen hast du dich ja erst mal über Jahrzehnte vor allem den vergleichsweise kurzen Artikeln der Zeitschriftenredaktion gewidmet. Den Putlitzer Preis gab’s jetzt auch für eine Kurzgeschichte – liegt dir die Kurzprosa persönlich mehr?

Klares Jein. Ich bin furchtbar ungeduldig, und ein kurzer Text zu einem Bilderbuch, ein Zeitschriftenartikel oder seit neuestem auch Kurzgeschichten sind halt einfach schneller fertig als ein 500-Seiten-Wälzer. Glücklicherweise habe ich im Laufe der Jahre zu mehr Mut, Geduld und Disziplin gefunden und weiß, dass ich auch einen Roman schaffen kann. Außerdem finde ich es toll, wenn mich Figuren und ihre Geschichten über Monate, sogar Jahre begleiten. Inzwischen arbeite ich immer an etwas Kurzem und etwas Langem gleichzeitig. Wenn ich gerade einen geduldigen Tag habe, schreibe ich an der langen Geschichte, wenn es ein ungeduldiger Tag ist, an der kurzen. Kurzgeschichten habe ich bisher gar nicht geschrieben – der Sofabraten war die erste. Jetzt bin ich aber auf den Geschmack gekommen und tüftle gerade an einer zweiten.

Wie bist du auf die Idee für die Bewerbung um den Putlitzer Preis gekommen?

Ich habe den Uschtrin-Newsletter und den Tempest abonniert, die immer auch auf Ausschreibungen hinweisen. Als ich das Thema für den Putlitzerpreis 2015 gesehen habe, „Gans oder gar nicht“, dachte ich, das gibt’s doch nicht, da haste ja die passende Geschichte schon in der Schublade! Die war ursprünglich nur eine Fingerübung während einer Zugfahrt gewesen, hatte sich dann aber auf ein paar tausend Wörter aufgebläht, weil ich beim Erzählen leider zum Aufblähen neige. Für Putlitz habe ich dann erstmal eine Menge überflüssiger Luft wieder rausgelassen, was eine super Übung im Kürzen war.

Du hast erzählt, die Ideen kommen einfach so bei dir vorbei – wie darf man sich das vorstellen?

Das hängt ganz von der Idee ab. Manche sind eher scheu, klopfen vorsichtig an und warten geduldig, bis ich die Tür öffne. Gelegentlich trollen sie sich auch wieder, wenn ich gar nicht weiß, wohin jetzt mit ihnen, und versuchen es Monate, manchmal sogar Jahre später nochmal. Andere fallen mit einem gewaltigen Einschlag direkt vom Himmel und beanspruchen sofortige Aufmerksamkeit und Pflege! Die Idee zum Luigi, die nominierterweise dann sogar nach Oldenburg reisen durfte, kam zuerst artig bei Tag vorbei. Sie war noch ziemlich klein und lebte anfangs so still und unauffällig in meiner Nähe, dass ich sie kaum wahrgenommen habe. Dann muss sie klammheimlich einen enormen Wachstumsschub gehabt haben. Plötzlich wollte sie Aufmerksamkeit! Sie schlich sich also davon, aber nur, um Anlauf zu nehmen und ein zweites Mal vorbeizukommen – diesmal aber nachts mit Karacho durch die Decke! Um vier Uhr morgens durfte ich endlich ins Bett gehen. Eine sehr hartnäckige Idee, und das blieb sie, bis das Manuskript fertig war.

Wie gehst du dann an die tatsächliche Textarbeit. Bist du ein akribischer Planer oder schmeißt du beim Schreiben auch schon mal alles wieder um?

Manches fliegt auch wieder raus, aber die Grundidee muss sitzen. Bei einem längeren Text plotte und schreibe ich parallel. Eigentlich bin ich eher chaotisch, viele Szenen und auch ganze Kapitel entstehen anfangs völlig unsortiert durcheinander. Da muss ich dann schon bald einen Plan machen, sonst verlaufe ich mich und sitze erfahrungsgemäß irgendwann vor einem riesigen Durcheinander an Dateien und Ausdrucken, raufe mir die Haare und will lieber aufgeben. Bei kürzeren Texten ist es natürlich leichter, den Überblick zu behalten. Da habe ich die Geschichte in Grundzügen im Kopf; der Rest ergibt sich beim Schreiben.

Unser aktuelles Sonntagsserienthema sind die Testleser. Wie handhabst du das? Bist du   der manische Typ – wie ich –, der zur Seligkeit mindestens fünf braucht oder gehst du das Ganze entspannter an?

Ich habe gern viele Testleser. Zum Glück finde ich immer ausreichend Freiwillige: mutige Freunde, viele mit schreibenden oder lehrenden Berufen, die mich höchstens ein ganz kleines bisschen schonen. Dann meine Autorengruppe in München. Meine Mama ist generell eine große Leserin und sehr gut darin, Unstimmigkeiten aufzudecken. Und, weil ich ja überwiegend Kinderbücher schreibe, sind die wichtigsten Testleser natürlich Kinder. Mein eigenes und die Kinder von Freunden und Bekannten. Die sind völlig unbestechlich. Wenn die was langweilig finden, lesen sie halt nicht weiter. Wenn sie es aber tun, weil sie spannend finden, was ich geschrieben habe, dann bin ich total glücklich und motiviert.

Welche Autoren inspirieren dich am meisten?

Alle Guten, die ich in die Finger kriege. 🙂

Und zum Abschluss, wir haben ja gerade Sommerferienzeit, was ist aktuell deine absolute, ultimative Leseempfehlung?
Urmel aus dem Eis von Max Kruse. Die perfekte Ferienlektüre! Sie hat wirklich alles, was eine gute Geschichte braucht: internationales Flair und eine exotische Südseekulisse, originelle, schräge Charaktere, ein Waisenkind, das eine neue Mama findet, einen bösen, am Ende aber bekehrten Widersacher, einen aufregenden Showdown und ein gelungenes Happy End. Und sie hat die lustigsten Dialoge der Welt! Unbedingt vorlesen! Kindern, dem Partner, Alleinreisende dürfen auch sich selbst vorlesen. Abär Vorsächt! Danach kann man nä wäder am Strand späzärengähän, ohne pföne Mupfeln zu fänden!

Vielen Dank für das Gespräch.

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