Cordula liest zu Weihnachten: Titus Müller – Stille Nacht

Ja, ich lese gerne Liebesromane, und ja, ich mag es gern romantisch und harmonisch, zu Weihnachten auch gerne mal mit dem typisch süßen Zuckerguss. In der Hoffnung auf ein wenig davon habe ich mir das Buch Stille Nacht von Titus Müller gekauft, den ich als guten Erzähler historischer Stoffe kenne. Nun also die Geschichte des weltbekannten Weihnachtsliedes, erzählt aus der Perspektive des jungen Pfarrers Joseph Mohr, dessen Text dem Lied zugrunde liegt.

Von Zuckerguss ist Titus Müllers Erzählung jedoch meilenweit entfernt, das zeigte sich schon auf den ersten Seiten. Eher spröde beginnt er die Geschichte mit dem ersten Zusammentreffen von Joseph Mohr und seinem Großvater. Mit wenigen Sätzen zieht er mich in die Geschichte. Ich habe direkt Bilder vor Augen, als er beschreibt, wie Joseph, an ausladenden Bauernhäusern vorbei, seinen Weg den Berg hinauf nimmt bis zur Keusche seines Großvaters, die im Gegensatz zu den reichen Höfen nicht mehr ist als ein kleines Holzhaus mit ein wenig Acker drumherum. Ebenso arm wie Joseph Mohr in Salzburg aufgewachsen ist, scheint auch dessen Großvater, den er nun mit zweiundzwanzig Jahren endlich kennenlernt, durchs Leben gegangen zu sein.

In meinen Augen passt diese spröde Erzählweise gut zu den Lebensumständen, die Müller hier beschreibt, denn Armut und Einsamkeit sind die beiden großen Themen, die auch die folgenden Seiten füllen. In einem besonders schmerzhaften Moment der Einsamkeit, am Tag der Beerdigung seines Großvaters, schreibt Joseph Mohr 1816 sein Gedicht Stille Nacht – sozusagen als Kontrapunkt, als seinen Traum von der vollkommenen Familie. An dieser Stelle blitzt er kurz auf, der Moment, in dem Mohr das Gefühl hat, all dem Schrecklichen etwas Schönes entgegenzusetzen.

Von Mariapfarr geht Mohr 1817 nach Oberndorf, ebenfalls bei Salzburg, einem kleinen, verarmten Schifferstädtchen, das durch die Kriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwischen Bayern und Österreich aufgeteilt worden war. Dort lernt Mohr Sophie kennen und ich frage mich, was die beiden wohl in Zukunft verbinden wird. Auf den nächsten Seiten erfahre ich viel über das harte Leben der Schiffer, die Tag für Tag ums bloße Überleben kämpfen, über ihre Frauen und auch über Joseph Mohr. Unehelich geboren hatte er besonders als Priester einen schwierigen Stand in der damaligen Welt.

Doch trotz dieser bedrückenden Verhältnisse, der spröden, doch so gut passenden Erzählweise Müllers, ist es für mich keine Frage weiterzulesen und mehr über Mohr, Sophie und ihre Welt zu erfahren. Und trotz der oft traurigen Details, die ich während des Lesens erfahre: In dieser Erzählung geht es um das Weihnachtslied Stille Nacht. Von daher hoffe ich weiterhin auf ein versöhnliches Ende – mit einem Hauch von Zuckerguss.

Ihre

Cordula Gravensteiner

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