Dorrit liest: Aminata Sow Fall – Der Streik der Bettler

Kürzlich war ich im Senegal, bin einmal mehr eingetaucht in das afrikanische Leben, die Farben, die Gerüche, die Klänge. Nach meiner Rückkehr habe ich endlich das Buch „Der Streik der Bettler“ von Aminata Sow Fall von meinem SuB genommen, mit dem Gedanken, gerade noch ganz in ihrer Nähe gewesen zu sein. Ich hatte mich in Dakar gefragt, wie man dort überhaupt Bücher schreiben kann, bei der Hitze und der alltäglichen Improvisation. Wie kann man Bücher schreiben, wenn der Strom abgeschaltet ist und man nicht weiß, wann er wiederkommt? Wie kann man sich konzentrieren, wenn man im Kopf hat, dass man mehrere Kanister füllen muss, sobald es wieder fließendes Wasser gibt? Aber natürlich sind die Einwohner Dakars an all das gewöhnt, haben ihr Leben entsprechend eingerichtet und schreiben Bücher. Im Fall von Aminata Sow Fall sogar sehr erfolgreich.

Geboren wurde die Autorin 1941 in Saint-Louis im Norden des Senegal. Während ihrer Schulzeit zog sie Dakar, das sie nach der Schule in Richtung Paris verließ. Sie studierte an der Sorbonne, kehrte nach Dakar zurück, heiratete, bekam Kinder und setzte sich in verschiedenen Funktionen für Autorenrechte ein, u.a. war sie die erste Präsidentin des Schriftstellerverbandes Senegals. Für „Der Streik der Bettler“ erhielt sie 1980 den Grand Prix littéraire de l’Afrique noire. Auf Deutsch erschien das Buch 1991 bei Lamuv – also erst elf Jahre später. Ein Problem, das mir bei meinen Streifzügen durch die afrikanische Literatur häufiger begegnet: Es dauert mitunter sehr lange, ehe die Bücher übersetzt werden, selbst wenn es sich um preisgekrönte Bücher handelt. Ich beherrsche Englisch und Französisch zwar leidlich, doch für literarische Feinheiten verlasse ich mich lieber auf die Übersetzungen von Profis.

Das Buch schlummerte bei mir schon etwa eineinhalb Jahre auf dem SuB. Ich glaube, es war der Titel, der mich lange zögern ließ. Bettler sind nicht unbedingt die Gruppe von Menschen, über die ich bevorzugt lese, und unter einem Streik der Bettler konnte ich mir nicht wirklich etwas vorstellen. Dabei ist die Hauptfigur des Buches kein Bettler, sondern der ehrgeizige Mour Ndiaye, Chef der Gesundheitsbehörde, der Ambitionen hat, demnächst zum Vizepräsidenten ernannt zu werden. Den Durchbruch erhofft er sich dadurch, dass er die Bettler aus Dakar verbannt, denn die stören das Stadtbild, gerade jetzt, da westliche Touristen die Stadt als Urlaubsziel entdecken. Er setzt dabei auf die Hilfe seines loyalen Mitarbeiters Keba Dabo, dem es in der Tat gelingt, die Bettler aus der Stadt zu vertreiben. Doch als die sich zurückgezogen haben, stellt sich heraus, dass sie noch gebraucht werden.

Mit feiner Ironie erzählt Sow Fall von Mours ehrgeizigen Plänen, mit Witz von den Bettlern, die ihre Macht genießen. Sie zeichnet ein Bild der senegalesischen Gesellschaft, in der die einen wie die anderen ihren Platz haben. In dieses Bild gehören auch: der Umgang zwischen Männern und Frauen, Eltern und Kindern, Aufsteigern und Verlierern und die Widersprüche, die sich aus der Bewahrung der Traditionen und dem Wandel zu einem modernen, westlich beeinflussten Land ergeben. Letzteres ist ein Thema, das in all ihre Romane einfließt.

Der Senegal hat sich in den vier Jahrzehnten, die seit der Entstehung dieses Romans vergangen sind, weiterentwickelt. Und doch ist Sow Falls Roman eine interessante Lektüre, die einen Blick in das Innere des afrikanischen Kontinents erlaubt, der für uns Europäer – mangels näherer Einblicke – noch immer mit vielen Klischees, Vorurteilen und Fragezeichen behaftet ist.

Erhellte Grüße,
Ihre Dorrit Bartel

PS. Wir machen mit bei der Lesechallenge #WirlesenFrauen von Schreibtrieb. Aufgabe 6: nicht europäische und nicht amerikanische Autorin.

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