Wie gern würde ich jetzt in Afrika lachen, statt im lockdownbedrohten Berlin zu hocken, in dem ich seit Tagen fast rund um die Uhr das Licht brennen lassen muss. Ich wäre gern in der Sonne und unter den Menschen in Afrika, die – wie ich sie kenne – besser gelaunt sind, weil sie mit den Unwägbarkeiten des Lebens oft besser umgehen können als wir Europäer.
Zum Trost habe ich zu Bernd Dörries’ Buch gegriffen, das hält, was es verspricht: Es wird gelacht. Dörries lebt in Kapstadt und schreibt für die „Süddeutsche Zeitung“ über Afrika – über Putsch, Krieg, Hunger, Naturkatastrophen und manchmal über einzelne Menschen, aber selten über den Alltag. Den hat er in vierunddreißig Ländern für dieses Buch eingefangen, auch, weil er davon erzählen wollte, wie viel da gelacht wird.
Anfangs hat mich die alphabetische Sortierung ein wenig verwirrt. Gambia, das ich umfahre oder durchquere, wenn ich von Dakar in den Süden des Senegal reise, hält in diesem Buch fünfzehn Länder Abstand zum Senegal. Fünf trennen Äthiopien und Eritrea, die vor zwei Jahren ihre Grenzstreitigkeiten beigelegt haben. Aber diese Irritation währte nur Sekunden, dann begann ich mich an den Kapitelüberschriften im vorangestellten Inhaltsverzeichnis zu erfreuen. Ruanda – wie daheim. Ruanda ist die Schwäbische Alb Afrikas. Alles ist sauber, alle sind pünktlich. Nicht mal den Rasen darf man betreten. Ist das überhaupt noch Afrika?
Ich bin inzwischen bis Malawi vorgedrungen und habe mehrfach laut lachen und ziemlich oft kichern müssen. Etwa, wenn der gambische Bekannte von Dörries der Wagenkolonne des Diktators nachwinkt, obwohl er diesen verabscheut. Nach dem Widerspruch zwischen Wort und Tat befragt, antwortet der Mann, dass der Diktator manchmal Geld wirft, wenn ihm der Jubel gefällt. Dörries lacht auch über sich selbst, wenn er etwa in Äthiopien seinen Begleitern tagelang auf die Nerven ging, weil er rohes Fleisch essen wollte – das einzige, was man in Äthiopien ohne Injera isst. Injera ist saures Fladenbrot, von dem er nach wochenlanger Reise genug hatte. Als er endlich rohes Fleisch bekam, war dies zwar sehr zart, aber so viel und so dick, dass er schließlich kleinlaut doch wieder nach Injera fragte.
Jedem Land vorangestellt sind ein paar hilfreiche Fakten: Einwohnerzahl, Wirtschaftswachstum, das Jahr der Unabhängigkeit. Die Anzahl der chinesischen Restaurants als Zeichen dafür, wie viel Einfluss China im jeweiligen Land hat. Außerdem das Nationalgericht – in Benin zum Beispiel: Poulet bicyclette, Hühnchen mit Chilisoße, das frei gelebt hat wie ein Fahrrad. Bio auf Afrikanisch.
Was man gesehen haben muss – in der Demokratischen Republik Kongo: Den Sonnenuntergang über dem Kongo-Fluss. Darum beneide ich den Autor, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich die Fahrt, die er über den Kongo mit der MB Nathasha Belle gemacht hat, wirklich angetreten wäre. Möglicherweise hätte mich im letzten Moment die Angst abgehalten, mit dem vollkommen überladenen Schiff zu sinken
Das muss man wissen – in Kenia: Bargeld ist fast überflüssig, alles wird mit dem Handy bezahlt.
Darüber redet das Land – in Gabun: Lebt Präsident Ali Bongo noch, oder wurde er durch einen Doppelgänger ersetzt?
Bei allen fröhlichen Betrachtungen blendet Dörries die problematischen Seiten Afrikas nicht aus, der blutige Bürgerkrieg Liberias findet seine Erwähnung ebenso wie der unbefristete Arbeitsdienst, zu dem jeder Eritreer herangezogen werden kann. Die Schreckensherrschaft des belgischen Königs Leopold II im Kongo gehört zur Geschichte der Demokratischen Republik Kongo – die sich allerdings seit dem Ende der Kolonialisierung rückwärts zu entwickeln scheint. Aber der Leser erfährt auch, dass es in Botswana kaum Korruption und eine kostenfreie Krankenversicherung gibt. Und dass dort die meisten Elefanten des Kontinents leben.
Es macht den Reiz des Buches aus, dass diese Fakten in Beobachtungen aus dem Alltag eingebettet werden, der viel fröhlicher daherkommt, als die Nachrichten auf den ersten Blick nahelegen.
Ich habe erst gut die Hälfte der Berichte gelesen und bin froh, dass mir noch ein paar bleiben, die mir die nächsten dunklen Wintertage in Berlin zu ertragen helfen. Und auch Ihnen empfehle ich das Buch wärmstens als Mittel gegen den Corona-Lockdown-Winter-Blues.
Ihre Dorrit Bartel