„Ich beschreibe, was ein Buch mit mir gemacht hat und warum, wieso ich es gut fand – oder eben nicht.“

 

Joan Weng im Gespräch mit Mareike Fallwickl von „Bücherwurmloch“

 

 Weiter geht’s in unserer losen Serie zu Bücher- und Literaturblogs mit dem literarisch hochklassigen Blog „Bücherwurmloch“ der Österreicherin Mareike Fallwickl, die mit „Dunkelgrün fast schwarz“ vor Kurzem ein furioses Debüt als Romanautorin feierte.

Hallo, liebe Mareike, du bist sowohl als Autorin als auch als Bloggerin sehr erfolgreich – was würdest du sagen? Bist du in der Tiefe deines Herzens mehr Bloggerin oder mehr Schriftstellerin?

Gibt es denn da einen so grundlegenden Unterschied? Mich prägt das Schreiben an sich – in all seinen Varianten. Ich habe mit dreizehn angefangen, meinen ersten Roman zu verfassen, an der Schreibmaschine, mit jugendlich-naivem Elan, ich bin Texterin und freie Lektorin, ich arbeite mit Wörtern und Buchstaben – und über Bücher zu schreiben, fügt sich da sozusagen nahtlos ein. Es ist ein weiterer Kanal für mich: Ob Blog, eigenes Buch, Werbetexte oder Zeitungsartikel – alles ist möglich, alles gehört zusammen.

Erzähl mal: Wie bist du zum Bloggen gekommen?

Ich lese sehr viel, an die 100 Titel im Jahr, und in meinem unmittelbaren Umfeld tut das keiner. Meine Oma liest historische Schinken, das war’s auch schon. Ich hatte ganz einfach niemanden, mit dem ich über Bücher hätte reden können. Deshalb habe ich 2009 den Blog gegründet, in der Hoffnung, dass sich dadurch eben jener Austausch über Romane ergibt, der mir gefehlt hat. Das ist geglückt, inzwischen sind wir in der Bloggerszene alle sehr gut vernetzt, und ich möchte diese kleine Zweitfamilie in meinem Leben nicht mehr missen.

Ich persönlich mag an deinem Blog, dass du einen eher literarischenAnsatz vertrittst. War das eine bewusste Entscheidung – im Sinne von, das gibt es noch nicht – oder einfach persönlicher Geschmack?

Auf jeden Fall persönlicher Geschmack. Ob es so etwas schon gibt oder nicht, darüber habe ich damals nicht mal nachgedacht. Die Bloggerszene war vor knapp zehn Jahren auch nicht so vielfältig wie heute. Ich lese kaum Unterhaltung oder Crime, sondern fast ausschließlich gehobene Belletristik und bin dabei durchaus anspruchsvoll. Ich will, dass ein Buch etwas auslöst bei mir, und das muss gar nichts Positives sein. Ich will, dass es intensiv ist und heftig, mich regelrecht aufschneidet und mir zu denken gibt, Gefühle hochkommen lässt, Wut, Trauer, Ekel, Verzweiflung. Erst dann ist es für mich ein gutes Buch. Wenn ich es zuklappe und es hat mich völlig kalt gelassen, bedeutet es mir nichts.

Wie oft bloggst du und was sind deine Schwerpunktthemen?

Ach, ich blogge, wann immer ich in meinem vollgepackten Alltag ein paar Minuten Zeit finde. Einen Redaktionsplan gibt es nicht. In erster Linie schreibe ich über die Bücher, die ich gelesen habe, ab und zu mache ich ein Interview oder erstelle eine ironische Liste, zum Beispiel über gute Gründe, ein schlechtes Buch abzubrechen. Interessanterweise habe ich, das war ungewöhnlich, kurz vor Erscheinen meines eigenen Romans einen Blogpost darüber verfasst, wie es zu diesem Buch kam und wie schwer der Weg manchmal war. Zuerst dachte ich: Ey, Mareike, Selbstdarstellung ist sonst gar nicht dein Ding, gehört das überhaupt auf den Blog? Dann war es plötzlich der erfolgreichste Artikel, den ich dort je hatte.

Was war deine schönste Erfahrung mit dem Bloggen? Und was die doofste?

Es gibt viele schöne Erfahrungen. In erster Linie sicher wegen der Menschen, die ich dadurch kennengelernt habe, und den Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben. Als das Bloggen immer mehr in Mode kam und die Verlage dann doch auf uns aufmerksam wurden, begann eine spannende Zeit. Besonders auf Messen habe ich viele andere Blogger getroffen, die ich lange aus dem Netz kannte und mit denen mich viel verbindet. Sehr schön ist auch, wenn ich über ein Buch schreibe, das mich absolut begeistert hat – und der Autor sich daraufhin bei mir meldet. Doof dagegen ist der ewige Hickhack zwischen Bloggern und Feuilleton. Ich finde es schade, dass das Feuilleton es immer noch nötig hat, auf uns zu spucken und nach uns zu treten, uns zu diffamieren und unfundierte Artikel über uns „Laienrezensenten“ zu schreiben. Ich wurde auch schon in der ZEIT zitiert als jemand, der keine Ahnung hat von Literatur. Das ist einerseits fies und andererseits unnötig. Warum können Blogs und das Feuilleton nicht einfach nebeneinander existieren? Wenn jemand gern Rezensionen in der Zeitung liest, soll er das tun, wenn jemand sich bei Bloggern mit Literaturtipps eindeckt, hat das doch auch seine Berechtigung.

Würdest du sagen, dass das Bloggen deine Einstellung zu Büchern und zum Lesen verändert hat?

Hm. Nein. Das geht ja Hand in Hand. Ich habe eine Einstellung zu Büchern und zum Lesen, und ich blogge darüber.

Und was meinst du, beeinflussen deine Erfahrungen als Literaturkritikerin dein eigenes Schreiben?

Ich sehe mich nicht als Literaturkritikerin, das möchte ich betonen. Es steht mir nicht zu, Urteile zu fällen, ich gebe eine sehr subjektive Meinung (zu einer sehr subjektiven Literaturauswahl) ab, die – und das kritisiert das Feuilleton ja so gern – durchzogen ist vom Wörtchen „ich“. Ich habe keine Deutungshoheit und keine Machtposition. Ich beschreibe, was ein Buch mit mir gemacht hat und warum, wieso ich es gut fand – oder eben nicht. Das beeinflusst mein eigenes Schreiben nicht. Sehr wohl aber das Lesen. Da ich nur wenige Herzensbücher habe, die mich wirklich erreicht haben, wollte ich selbst unbedingt ein Buch schreiben, dem das ebenfalls gelingt. Das die Leser nicht kalt lässt. Das sie fordert und ihnen etwas abverlangt, das Emotionen auslöst, gute wie schlechte. Ich wollte ein Buch schreiben, das jemandem etwas bedeutet.

Welchen Buchtitel würdest du unseren Lesern ganz besonders ans Herz legen?

Unbedingt solche Romane, die die Axt sind für das gefrorene Meer in euch. Und die ihr ziemlich sicher noch nicht kennt: „Alles Stehende verdampft“ von Darragh McKeon, „Gebete für die Vermissten“ von Jennifer Clement, „Das Haus des Windes“ von Louise Erdrich, „Vor dem Sturm“ von Jesmyn Ward und „Adams Erbe“ von Astrid Rosenfeld zum Beispiel. Mehr Tipps gibt es, wie könnte es anders sein, natürlich auf meinem Blog.

Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Spaß und Erfolg beim Bloggen!

P.s.: Wir danken Gyöngyi Tasi für die Bereitstellung des Bildes, Copright: Gyöngyi Tasi.

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