In einem Satz: Fürchte nichts

Niemand ahnte Böses, auch nicht der Oberbefehlshaber des Kriegsschiffs Dreadnought, vermutlich weil er sich von der Art glaubte, die dem Namen des Schlachtschiffs gerecht werden musste, niemand also ahnte das Verhängnis, das in Form einer malerischen Gruppe von orientalischen Fürsten aus Abessinien, begleitet von einem Dolmetscher und einem Mitglied des British Foreign Office, am 10. Februar 1910 auf das Schiff kam, sich unter Abspielung der Nationalhymne von Sansibar – man hatte die abessinische Hymne in der Eile nicht auftreiben können – durch das höchst geheime Schiff führen ließ und dann unter gehisster Flagge mit ein paar Brocken Swahili, die der Dolmetscher zu übersetzen vorgab, eine Unterhaltung pflegte, was gelang, da das einzige Besatzungsmitglied, dessen Muttersprache Swahili war, an diesem Tag Landgang hatte, sich außerdem noch Zeit nahm, eine Photographie zu machen, die Horace Cole, der zu dieser Gruppe gehörte, an den Daily Mirror schickte, wo es veröffentlicht wurde, was Cole aber nicht reichte, weshalb er persönlich zum Foreign Office ging und meldete, dass hinter diesem Streich nebst ihm selbst auch noch Freunde, so etwa Virginia Stephan, steckten, sie sich geschminkt und in Phantasiekleidung verhüllt, mittels gefälschtem Telegramm auf der Dreadnought angemeldet hatten, dort arglos aufgenommen worden waren, was, wie er und später auch die Öffentlichkeit meinte, einer Blamage der Militärführung gleichkam, weswegen die Royal Navy wutschäumend Haft für alle Beteiligten verlangte, der Forderung aber nicht nachgegeben wurde, da kein Gesetz gebrochen schien, weshalb Cole freiwillig sechs Stockschläge auf sich nehmen wollte, wenn er zurückschlagen dürfe, was man ihm nicht zugestand, ihm aber nach einer Entführung auf freiem Feld zwei Hiebe gab und ihn in Pantoffeln mit der U-Bahn nach Hause schickte, was ihn nicht verdross, denn inzwischen gab es wegen dieses Dreadnought-Streiches bereits eine offizielle Anfrage im Oberhaus, sodass die Gruppe der gefälschten abessinischen Fürsten mit angeklebten Bärten sicherlich für einige Zeit genug zu lachen hatte, was insbesondere Virginia Stephen, die zwei Jahre später Leonard Woolf heiratete, gut getan haben mag, denn ihre manisch-depressive Erkrankung, ausgelöst von dem Missbrauch durch ihre beiden Halbbrüder Gerald und George Duckworth, machte ihr zeitlebens zu schaffen und trieb sie letztendlich am 28. März des Jahres 1941 dazu, einen großen Stein in ihren Mantel zu packen und bei Rodmell nahe Lewes in den Fluss Ouse zu gehen.

Bis zum nächsten Satz

Ihr Horst-Dieter Radke

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