„Ich muss am Haken sein, zu dem Buch zurückkehren wollen. Es weglegen müssen, damit es nicht endet.“

Ingrid Haag im Gespräch mit Sarah Reul alias Pinkfisch

Bildung, Unterhaltung, Horizonterweiterung und die große Liebe ihres Lebens – das sind Bücher für Sarah Reul. Als Buchhändlerin hat sie ihre Lieblinge jeden Tag buchstäblich im Griff. Sie liest, wann immer sie Zeit dafür hat, und schreibt ihre Eindrücke auf. Dabei will sie nicht den Inhalt wiederholen, sondern Stimmungen in Büchern aufspüren, Bücher für bestimmte Menschen finden – immer das perfekte Buch für den idealen Zeitpunkt

Liebe Sarah, alles auf Pink! Aber wieso der Fisch? Wie kamst du auf die Idee, dich „Pinkfisch“ zu nennen?

Es ist eine Kombination. Der Fisch ist Teil eines Kosenamens eines lieben Freundes von mir, ohne den es den Blog nicht geben würde, denn er kümmert sich seit all den Jahren um das Design und die technische Seite. Tja, und das Pink ergab sich so – ich bin tatsächlich nicht von Kindesbeinen an in Pink herumgelaufen, sondern habe die Farbe erst mit 19 für mich entdeckt. Dann begann es mit einem pinken Paar Schuhe für die Messe, und mittlerweile erkennt man mich auf Veranstaltungen und Co. an der Farbgebung meiner Outfits. Diesen Effekt hatte ich zu Beginn nicht geplant, aber er hat mir schon viel Gutes gebracht, und die Farbe ist zu meinem Erkennungsmerkmal Nummer Eins geworden.

Wie bist du denn überhaupt zum Bloggen gekommen?

Den Blog gibt es mittlerweile schon seit dreizehn Jahren, und damals gab es noch nicht so eine Blogcommunity wie heute – oder ich hatte sie zumindest nicht gefunden. Ich habe damals den Wunsch gehabt, online kurz und knapp über die Bücher zu schreiben, die ich als Buchhändlerin gelesen hatte, wollte das Ganze aber an einer Stelle versammeln. Der besagte Freund schlug dann eine eigene Seite vor und etwas namens WordPress, und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Über die Jahre hat sich das Design leicht verändert und Coverfotos kamen dazu, aber im Grundsatz mache ich eigentlich noch genau das Gleiche wie am Anfang. Natürlich entwickelt man sich weiter, und Texte von vor zehn Jahren würde ich heute nicht mehr so schreiben wie damals. Aber man sieht daran auch meine Entwicklung, und mittlerweile ist es eine stattliche Zahl an Leseeindrücken, die da zusammengekommen ist.

Du stellst Bücher und Texte vor, die dir etwas bedeuten. Was muss ein Buch haben, damit es dich begeistert, inspiriert, bewegt, fasziniert oder nachdenken lässt?

Es muss etwas mit mir anstellen! Ich lese eigentlich ziemlich querbeet, bin aber vorrangig in der Belletristik zu Hause. Ich muss das Gefühl haben, mehr über all die Figuren erfahren zu wollen, um die das Buch sich dreht. Ich muss am Haken sein, zu dem Buch zurückkehren wollen. Es weglegen müssen, damit es nicht endet. Ein Buch begeistert mich dann besonders, wenn ich noch Monate später an seine Figuren zurückdenke und sie während des Lesens schon mit mir in der Wohnung leben. Um noch mal zum Anfang zurückzukommen: Es muss etwas mit mir anstellen. Dieses Ziehen im Herzen auslösen, weil es so wahrhaftig ist, weil die Sätze dahinfließen, weil es mir nahekommt.

Wie oft bloggst du? Was sind deine Schwerpunktthemen oder Vorlieben?

Momentan leider viel zu wenig, einige Projekte haben sich im letzten Jahr vorgedrängelt, und so ein Tag ist oftmals viel zu schnell rum. Auch ist es manchmal so, dass ein Tweet oder ein Instagram-Post gefühlt schneller sind, andererseits ist mein Blog eben meine Homebase im Netz, und ich möchte wieder mehr dort veröffentlichen. Ich schreibe zu 95 % Leseeindrücke, dazu kommen Blogbeiträge zur Buchmesse oder zu besonderen Veranstaltungen. Ich spiele immer mal mit dem Gedanken, auch zu anderen Themen zu bloggen, bin mir aber unsicher, ob das auf Pinkfisch sein wird.

Was war deine schönste Erfahrung mit dem Bloggen? Und was die doofste?

Die schönste? Da muss ich aktuell natürlich meine Reise letztes Jahr nach Norwegen nennen, wo ich mit dem Literaturzug der Kronprinzessin Mette-Marit in Vorbereitung auf Norwegen als Gastland der Frankfurter Buchmesse mitreisen durfte. Was für eine unglaubliche Zeit – wäre ohne den Blog nie passiert! Aber auch die Einladung zu „Zürich liest!“ oder ein Ausflug nach Köln zu Melanie Raabe und sämtliche Buchmessen mit Bloggerinnen und Bloggern – der Blog hat wahnsinnig viel Bewegung und großartige Menschen in mein Leben gebracht. Dafür bin ich wirklich dankbar!

So richtig doofe Erfahrungen musste ich bisher nicht machen, zum Glück! Bei Rezensionsanfragen finde ich es immer schade, abzusagen, allerdings ist mein Regal der ungelesenen Bücher niemals besonders leer, und ich bin durch meinen Beruf als Buchhändlerin oftmals schon mehr als eingedeckt mit Leseexemplaren. Und auch mein Tag hat nur vierundzwanzig Stunden, und ich kann nicht mal ansatzweise alles lesen, was mir angeboten wird. Leider!

Wie hat das Bloggen deine Einstellung zu Büchern und zum Lesen verändert? Hat’s überhaupt?

Natürlich hat es einen Einfluss auf mein Leseverhalten. Das hat aber auch mein Dasein als Buchhändlerin – es gibt Monate, in denen ich nur Novitäten lese, um mich auf den Einkauf vorzubereiten und die Neuheiten für meine Kundinnen und Kunden zu kennen, und diese Bücher landen dann oft auch zum ET im Blog. Die Blog-Community bringt mich aber auch oft dazu, mal über den Tellerrand hinauszuschauen. Aktionen wie #frauenlesen, das #dickebüchercamp oder #backlistlesen machen mein Regal bunter, interessanter. Buchtipps und Empfehlungen von anderen sammle ich und nehme mir auch mal das ein oder andere Lesevorhaben vor, versuche divers und sowohl von großen als auch kleinen Verlagen zu lesen. Das ist definitiv eine Begleiterscheinung des Bloggens, die ich aber sehr begrüße – es öffnet meine Horizonte als Leserin.

Du schreibst auch selbst kreativ. Wie beeinflusst der Blog, wie beeinflussen die vielen Bücher, die dich umgeben, dein eigenes Schreiben?

Das ist eine gute Frage! Jedes gelesene Buch hinterlässt so seine Spuren, und ich glaube, um eine gute Autorin zu sein, ist Lesen einfach unverzichtbar. Manchmal sitze ich natürlich nach einem fantastischen Buch auch da und frage mich, ob ich jemals so etwas Gutes zustande bringen werde. Aber dann erinnere ich mich wieder daran, dass mich die Bücher und Autor*innen am meisten beeindrucken, die ihre ganz eigene Stimme haben – und die eigene Stimme kann einem ja zum Glück keiner nehmen.

Welchen Buchtitel würdest du unseren Lesern ganz besonders ans Herz legen?

Ich empfehle seit Jahr und Tag mein Lieblingsbuch von Haruki Murakami, Kafka am Strand, aber da es auch um das Schreiben geht, würde ich noch Der Weg des Künstlers von Julia Cameron empfehlen. Ihre „Morningpages“ begleiten mich seit vielen Jahren, und ich habe dieses Jahr endlich darüber gebloggt. Vielleicht ist das für den ein oder anderen auch eine Motivation, um sich mal wieder richtig ins Schreiben zu stürzen! Vielen Dank für das Interview, liebe Sarah, und weiterhin viel Spaß und Erfolg beim Bloggen. Wir sehen uns online!

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