Jürgen Block: Eine neue Frise ist wie ein neues Leben (Zweiter Teil und Happy End)

„Siehst wieder wie ein Mensch aus“, sagte Soraya und strubbelte über meinen Kopf.

Suleyman heißt mein neuer Frisör, mit Ypsilon (siehe „Der Frise“, Erster Teil), und er hat seinen Salon im Keller. Gewartet wird auf einer Gartenbank, maximal drei Mann, die Regale vollgestopft mit Sachen, von Wasserkocher bis Taxidachleuchte. Rund um den Friseurstuhl ist die Bodenfarbe von den Sohlen abgelaufen. Gesprochen wird Türkisch. 

Suleyman setzte eine neue Rasierklinge ein und guckte immer wieder auf sein Handy auf dem Campingtisch. Wegen der Uhrzeit, es war Ramadan, und Suleyman war hungrig.

Suleyman kann angeblich kein Deutsch, weshalb er keinen ebenerdigen Salon betreiben darf. Mein türkischer Kumpel muss übersetzen. Vor drei Monaten war ich zuletzt hier, und da meinte Suleyman, ich sähe mit meiner Mähne aus wie der Professor von „Zurück in die Zukunft“.

„Salam Aleikum, ich bin zurück“, sagte ich, nachdem ich die sieben Kellerstufen heruntergestiegen war, ohne meinen Kopf an der Türzarge zu stoßen.

Mein Kumpel und Suleyman küssten sich zur Begrüßung. Ich gab Peace-Zeichen.

Ach ja, bevor die Tür aufgemacht wird, muss man ans Kellerfenster klopfen. Genauer gesagt, an Glasbausteine, Morsecode: Ta ta ta.

Als ich das erste Mal hier in die Unterwelt hinabstieg, dachte ich entweder an Dantes „Göttliche Komödie“ („Lasst ihr, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren.“) oder an die Kellerszene in „Pulp Fiction“, weiß nicht mehr genau. Aber Haare schneiden kann Suleyman.

Die Jungs redeten und lachten, nicht alles wurde für mich übersetzt, aber ich musste höllisch aufpassen, wenn man mich ansprach. Denn die beiden sprachen Deutsch wie einen türkischen Dialekt. Wohl wegen der Akustik der niedrigen Kellerdecke, Kappendecke, wie ich zu Hause nachgegoogelt habe.

Zeitschriften: natürlich Fehlanzeige. Stattdessen wurde heute mehr geredet als barbiert. Wegen Ramadan, und das Handy verhieß baldigen Sonnenuntergang. Einmal wollte Suleyman mit einem brennenden Fackelkopf an meine Ohrenhaare ran, aber ich lehnte dankend ab und verwies auf die Gasleitung an den Wänden.

Bislang hatte ich nur Frisörinnen an meinen Kopf gelassen. Die gingen immer mit Zartsinn zu Werke, begannen mit dem einen Ohr und arbeiteten sich kopfüber zum anderen vor.

Aber auf dem Bosporus hat man wohl gelernt, überall gleichzeitig zu schnibbeln, leider fällt mir kein passendes Verb für Suleymans hin- und hersausende Schere ein. Suleyman kann sogar Frise ohne Undercut.

Immer wieder zwischendurch kam der widerborstige Pinsel über Scheitel, Gesicht und Nacken zum Einsatz. Zum Schluss gab es einen Schwall eiskalte Flüssigkeit über die Schläfen. Wow, von höllenheiß zu höllenkalt! Dafür allein hat sich der Abstieg in diesen Rumpelkeller schon gelohnt.

Alles toll, nur in Stern und Kicker hätte ich doch gern geblättert.

Kurz: Als Doc Brown stieg ich in den Keller, als Mensch kam ich wieder heraus. Für fünfzehn Euronen. Danke, Suleyman!

Mein Kumpel brachte mich dann mit seinem Auto (BMW, schwarz) wieder zurück nach Hause, zur zufriedenen Soraya. Siehe oben.

Ihr Jürgen Block

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