Ingrid liest: Daniel Griffin – Rettung

Ich las den Kommentar „… das Thema Umweltverbrechen brillant verarbeitet“, gleichzeitig den Ort der Handlung, dessen gewaltige Natur ich selbst erlebt habe, und schon war’s um mich geschehen. Dieser Mischung konnte ich nicht widerstehen, ich habe gekauft, gelesen und es keine Sekunde lang bereut.

Ein Holzkonzern rodet hemmungslos den einzigartigen Primärwald auf Vancouver Island – mit dem Segen der Politik. Eine kleine Gruppe junger Umweltaktivisten protestiert dagegen und schreckt, nachdem der Erfolg ausbleibt, auch vor Bombenanschlägen auf Lager des Konzerns nicht zurück. Gleich der erste geht fürchterlich schief, ein Wachmann kommt dabei zu Tode. Pete, der den Auslöser der Bombe gedrückt hat, wird von der Gruppe getrennt und flieht in die Wälder. Tagelang irrt er umher und trifft schließlich an der Küste auf eine kleine Kolonie von Aussteigern. Er verliebt sich in Inez, die ihm hilft und Unterschlupf gewährt, nennt ihr aber einen falschen Namen und verschweigt sein Verbrechen. Als er erfährt, dass seine Gruppe weitere Anschläge durchführen will und die Rodung auch sein aktuelles Idyll bedroht, macht er sich auf, beides zu verhindern und damit auch seine Schuld am Tod des Wachmanns zu sühnen.

Daniel Griffin nimmt in seinem Debütroman die friedlichen Proteste gegen die Holzindustrie auf Vancouver Island auf, die es 1993 tatsächlich gegeben hat, und verknüpft sie mit der heutigen Radikalität – nach den Ereignissen im Hambacher Forst ist das topaktuell.

Die Geschichte wird abwechselnd aus mehreren Perspektiven erzählt: Pete gebührt die Hauptrolle, neben ihm kommt Inez zu Wort, außerdem Art, einer der Umweltaktivisten. Und Tab, Petes Mutter, die aus Ontario anreist und sich auf die Suche nach ihrem Sohn macht, der irgendwann zum fanatischen Umweltschützer geworden ist. Eine tragende, stille Rolle spielt die Umgebung, mit stürmischem Meer und imponierenden, uralten Wäldern, die es so dringend zu schützen gilt.

Der Roman nennt sich Umwelt-Thriller, aber er ist kein reißerischer Beitrag zur Diskussion um den militanten Umweltschutz. Daniel Griffin erzählt klug und lebendig von Schuld, Reue und Sühne und davon, wie die Akteure mit einer Situation umgehen, in der sie sich ungewollt wiederfinden. Er beschreibt eine ganze Palette von Reaktionen, wie Lethargie, Schmerz und Opportunismus, aber er definiert keine eindeutigen Helden und Bösewichte – außer dem Holzkonzern vielleicht. Und am Ende steht eine Botschaft: aller Dringlichkeit und allen Widerständen zum Trotz den Frieden zu wahren.

Unbedingt lesenswert. Und falls Sie die Chance haben: Besuchen Sie Vancouver Island! Es ist mehr als eine Reise wert, auch wenn – oder gerade weil – es dort ziemlich häufig regnet.

Ihre
Ingrid Haag

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