Joan liest: Volker Weidermann – Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft

Ich habe dieses Jahr Glück: Ich finde ständig Bücher, die ich unbedingt lesen möchte, weil ich sie – hätte ich sie nicht gefunden – hätte schreiben müssen. Als fauler Mensch bin ich für diese Laune des Schicksals sehr, sehr dankbar. Für die Idee hinter Volker Weidermanns Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft habe ich sogar mal ein Stipendium bekommen, aber wie viel angenehmer ist es doch, all die Fakten und Fiktionen in aufgearbeiteter Form präsentiert zu bekommen. Und noch dazu so wunderwunderschön geschrieben. Ähnlich wie vor dem im Roman auftauchenden Stefan Zweig verbeuge ich mich in Bewunderung vor dem großen Könner Volker Weidermann. Das Werk, von der Länge her fast eine Novelle, beschreibt den Sommer 1936, in dem sich eine Vielzahl berühmter Exilautoren mehr oder weniger zufällig in Ostende aufhalten für … ja, für was eigentlich? Da wird geurlaubt, gefeiert, geschrieben und natürlich immer wieder politisiert – da kommen sie alle vor, von Roth über Zweig, von Kisch bis zur Keun. Und sie sind so herrlich einfühlsam beschrieben, man möchte immer wieder glauben, einen Zeitzeugenbericht zu lesen. Das Ambiente ist auf das Vortrefflichste eingefangen, und die politischen Hintergründe sind so gut recherchiert, dass es auch für eine Literaturwissenschaftlerin eine reine Freude ist. Von mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung für jeden, der sich für die Exilliteratur und ihre Autoren interessiert, oder nein, besser: für jeden, der sich für Literatur interessiert.

Ihre Joan Weng

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