Kristin liest: Lily King – Writers & Lovers

Vor einigen Jahren beeindruckte mich Lily King mit Euphoria, einem Wissenschafts- und Abenteuerroman, der auf dem Leben der Ethnologin Margaret Mead und ihren Forschungsreisen zu den indigenen Völkern in Neuguinea basiert. Ganz nebenbei schildert der Roman höchst erotisch die Dreiecksbeziehung zwischen dem Ehepaar Mead und einem Forscherkollegen.

Hätte ich nun Writers & Lovers blind verkostet, hätte ich nie geraten, dass der Roman aus derselben Feder stammt wie Euphoria. Doch auch Kings neuestes, autobiografisch inspiriertes Werk hat mich begeistert, wenn auch auf ganz andere Weise.

Boston in den Neunzigern. Die ebenso mittel- wie erfolglose Schriftstellerin Casey Peabody ist Anfang Dreißig und möchte Schriftstellerin sein. Das mag vor fünf, sechs Jahren, als sie ihren Roman zu schreiben begann, noch ein halbwegs akzeptabler Traum gewesen sein. Inzwischen sind jedoch ihre früheren Schulfreundinnen an ihr vorbeigezogen, haben einen netten Mann und ein Häuschen, manche von ihnen bereits das eine oder andere Kind. Casey aber wohnt in einer ausgebauten Garage und sitzt nach ihrem abgebrochenen Studium auf einem Berg von Schulden, gegen die sie verzweifelt ankellnert. Über ihr Schreiben darf sie sich Kommentare wie den ihres Vermieters anhören: „Ich staune nur immer wieder, dass du glaubst, du hättest etwas zu sagen.“ In solchen Momenten möchte Casey am liebsten die Schriftstellerbrocken hinwerfen, und solche Momente gibt es reichlich in ihrem Leben. Weitere Lowlights: die verkorkste Beziehung zu ihrem Vater, der kürzliche Tod der Mutter und das desaströse Gesundheitssystem der USA, dem Casey sich zwischenzeitlich ausgeliefert sieht.

Caseys Geschichte hat mich unter anderem für sich eingenommen, weil sie an ihrem Traum festhält, auch wenn fast alle um sie herum mindestens denken, wenn nicht geradewegs ihr ins Gesicht sagen, dass sie absolut irre ist, bei ihrer Karriereplanung nur auf diesen einzigen müden Gaul zu setzen: ihren Roman, bei dem völlig in den Sternen steht, ob er je veröffentlicht wird. Von der Handlung dieses Romans erfahre ich nur wenig, leide aber mit, wenn Casey sich nach der Fertigstellung wochenlang nicht traut, ihrer Freundin und wichtigsten Schreibkollegin das Werk zu zeigen, damit die es liest und beurteilt.

Nur um es erwähnt zu haben: Um Lovers geht es in dem Buch Writers & Lovers auch, aber das habe ich eher als Nebengeschichte gelesen. Zwei Liebhaber sind es, zwischen denen Casey hin und her gerissen ist: der um einiges ältere erfolgreiche Autor Oskar, der seinen Chauvinismus nur halbgelungen hinter einer sensiblen und verständnisvollen Fassade verbirgt, und der gleichaltrige Silas, der ebenfalls viel zu viel mit sich selbst zu tun hat, um Casey wirklich wahrzunehmen.

Eine Liebesoption also immer verlockender als die andere. Lily King hat ihrer Heldin eine witzige, lakonische und ehrliche Stimme verliehen. Auch bestach mich Writers & Lovers durch seine liebenswürdige Erzählweise und den feinsinnigen Humor. Es ist das Buch, von dem Lily King selbst sagt, dass sie es sich in ihren schriftstellerischen Anfangsjahren als moralische Unterstützung gewünscht hätte.

Teilen: