Platz 2 des Weihnachtsschreibwettbewerbs

Prostata – Eine Weihnachtsgeschichte

von Jürgen Block

Erstens, kein schöner Name. (Vorsteherdrüse ist ja noch schlimmer; als ob man ein Finanzamt wäre, dessen Vorsteher im Arsch säße.) Zweitens, wo zum Teufel steckt dieses ominöse Ding genau? (Es ist verflucht tief in einem drin.) Immer wenn ich mich über „Natur begreifen“ (Bio-Buch, Klasse 7) beuge und die Schemazeichnungen studiere, steht sie mir klar vor Augen: Links das Rückgrat, rechts das Rectum, dazwischen Schwarz auf Weiß: Prostata. Alles klar, gar kein Problem. Aber wenn man jetzt (theoretisch) den Finger in den Anus schöbe, so von hinten, in seitlicher Liegeposition, wo wäre sie dann? Oben oder unten, müsste ich den Finger nach außen krümmen oder nach innen drehen? Nach links oder rechts? Das ist zu hoch für mich. Hab zwar ein passables Abitur, Studium und Vikariat mit „Gut“ abgeschlossen. Aber wenn ich das Schaubild auf meinen 3D-Körper übertragen soll, setzt es bei mir aus.

Dabei fing alles damit an, dass ich öfter pinkeln musste. Hab mir nichts weiter dabei gedacht. Ehrlich gesagt, wusste ich gar nicht, dass es sie überhaupt gibt. Okay, die älteren Herrn vom Kirchenchor reden gern darüber. Aber ich, wo ich erst zweiundfünfzig Jahre alt bin – war ein ganz schöner Schock, die Diagnose. Früher habe ich mich über meine liebe Maren lustig gemacht, dass sie immer gleich auf Klo musste, beim Autofahren oder bei Karstadt, man konnte wetten, nach einer Stunde hieß es: Ich geh mal eben, nur zur Sicherheit.

Tut mir leid, ich verstehe es nicht. Worin besteht der Sinn, wenn eine Drüse aus der Reihe tanzt? (Vielleicht als Strafe, aber wofür?) Hab bei Wikipedia gelesen, dass sie sogar einen eigenen Orgasmus hat. Wahnsinn. Da soll man wegen einer Drüse krepieren, die sich ein Leben lang nicht gerührt hat. Upps, da kommt meine liebe Maren. Ich sage: Ich schreibe am Gemeindebrief für Weihnachten. (Ich kann ihr doch nicht die Wahrheit sagen, das bringe ich nicht übers Herz.) Maren geht zum Fenster, um die Halloween-Deko abzubauen. Schnell, neue Seite. Was soll ich schreiben? (Und der Engel sprach zu ihnen.) Maren löst die Saugnäpfe der Lichterkette mit den grinsenden Kürbissen vom Fensterglas. (Fürchtet euch nicht.) Hängst du nachher die Mondlaterne auf, fragt sie. (Siehe, ich verkündige euch große Freude.) Ich sage: Geht klar. (Denn euch ist der Heiland geboren.) Ich könnte wieder auf Klo. Meine liebe Maren trägt die Deko hinaus. Also weiter. Das schreckliche Halloween ist vorbei, jetzt kommt Weihnachten. Wie soll ich das bloß durchstehen? Euch ist der Heiland geboren, und bei mir schießt die Prostata ins Kraut. Und wenn ich mich operieren lasse, geht womöglich gar nichts mehr. Mit Pech braucht man nachher eine Windel. Da kann ich mich auch gleich aufhängen.

Gott ist Liebe. Gott gibt alles, großzügig, überfließend. Gott liebt uns großzügig, ja verschwenderisch. (Wie wohl so ein spezieller Orgasmus wäre?) Vorher müsste ich die Prostata finden und dann massieren, oder vielleicht so einen semirealistischen Gummischwanz aus dem Internet nehmen? (O Gott, wenn dies einer lesen würde!) Was ich gerade noch checke, ist, dass die Schöpfung das Glied so schuf, dass es in der Vagina Lust und Leben erzeugt. (Oder umgekehrt.) Aber welcher Teufel hat dafür gesorgt, dass er auch perfekt ins Arschloch passt? Wahnsinn: Er ist aus solch krummem Holz, dass er genau die Prostata trifft. Daran sieht man doch, dass wir vor einem unendlichen und unerklärlichen Abgrund stehen und nur hoffen können, zugleich in Gottes Hand zu sein. Ich sitze hier und schreibe. Meine liebe Maren weiß von nichts. Sie scheppert draußen mit den Keramik-Kürbissen, während ich hier krepiere. Maren, ich funke SOS, hör auf mein Fingertippen, was ich dir zuflüstere, liebe Maren, ich sitze hier und kann nicht mehr, hörst du, zu Weihnachten wünsche ich mir, dass du mich fickst. (O Gott.)

 

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