Schreiben im Senegal – Teil 1

Es ist erst wenige Wochen her, dass meine Mitbewohnerin, eine australische Autorin, mir Grüße von ihrer Schreibresidenz im australischen Varuna schickte, wo sie für zwei Wochen ein Schreibstipendium bekommen hatte. Sie schwärmte davon, wie wunderbar die Arbeit an ihrem Roman voranging, weil jemand für sie kochte und sie den ganzen Tag nur schrieb. Garniert war ihre E-Mail mit Fotos ihres Schreibtischs, der vor einem Fenster stand, durch das blauer Himmel und grüne, blühende Pflanzen zu sehen waren. Und ich starrte in den januargrauen Berliner Himmel und die kahlen Bäume davor und sagte mir nicht zum ersten Mal, dass ich im falschen Land geboren bin. Wie um alles in der Welt sollte ich hier über einen afrikanischen Nachthimmel schreiben? Also buchte ich einen Flug nach Dakar. Nur den Hinflug.

Zugegebenermaßen ist das nicht ganz das richtige Land, denn ich schreibe über Äthiopien in Ostafrika, während Dakar die westlichste Spitze des Kontinents bildet. Aber der Senegal ist einfacher zu bereisen als Äthiopien. Ich kenne das Land besser (es ist auch viel übersichtlicher), habe Freunde in Dakar und der Himmel unterscheidet sich vermutlich nicht zu sehr von dem über Äthiopien. Es ist warm in Dakar, die Sonne scheint, die Frauen tragen Kleider in allen Farben, die Boubous der Männer stehen ihnen in der Farbenpracht in nichts nach, die Menschen sind gut gelaunt und ein großer Teil des Lebens spielt sich auf der Straße ab.

Meine Stimmung bessert sich sofort, auch wenn ich gegen halb fünf morgens vom Ruf des Muezzins geweckt werde (nur in der ersten Nacht, ab der zweiten höre ich ihn nicht mehr), der Geldautomat nicht funktioniert, ich die Sonne schon am nächsten Tag gegen 14 Uhr gern einfach mal für eine Weile abschalten würde; auch wenn ich gleich wieder einen Heiratsantrag abwehren muss (selber Schuld, schließlich weiß ich, dass ich auf die Frage nach meinem Familienstand nicht wahrheitsgemäß mit „Unverheiratet“ antworten darf, aber im ersten Moment bin ich wieder überrascht davon, dass diese Frage hier immer zuerst gestellt wird, sowohl von Männern als auch von Frauen); auch wenn senegalesische Autofahrer ihre Hupen zu sehr lieben, ich vor jeder Taxifahrt erst einmal über den Preis verhandeln und auch sonst einiges organisieren muss, wie eine Telefonkarte und Geld. Und Internet, damit ich meiner Mutter, meiner besten Freundin und meiner Mitbewohnerin, die inzwischen wieder in Berlin angekommen ist – wir müssen uns irgendwo in der Luft knapp verfehlt haben – mitteilen kann, dass ich heil angekommen bin. An einem Tag gibt es kein Wasser und ich dusche auf die afrikanische Art, mit einem Eimer Wasser. Aber vormittags bin ich eisern, ich schließe die Fensterläden, um den Lärm und die Hitze aus meinem Zimmer auszusperren und arbeite. Keine Ausreden mehr. Deshalb bin ich hergekommen, auf dieses Ziel hin habe ich in den letzten Wochen alles organisiert und dafür gesorgt, dass für ein paar Wochen niemand etwas von mir will. Und doch setze ich vor allem auf die nächste Station meiner Reise, ein kleines Camp irgendwo auf einer Insel. Vor einigen Jahren war ich mal dort ganz in der Nähe in einem Hotel, wo man vom Restaurant aus auf einen breiten Fluss sah, dessen Ufer grün von Mangroven war und ich weiß noch, dass ich damals dachte, so habe ich mir Afrika immer vorgestellt. Mit 165 € pro Nacht übersteigt das Hotel mein Budget, also habe ich mir das nahe gelegene Camp ausgesucht – die Fotos im Internet sehen aus, als gäbe es diesen Blick dort auch. Und die knapp 20 € pro Nacht kann ich mir leisten. Auf meine Anfrage sichert man mir einen Tisch im Zimmer zu, den werde ich brauchen. Also lasse ich ein paar meiner Sachen bei meinen Freunden in Dakar, packe nur ein, was ich in einer Woche Schreibcamp benötige, und mache mich nach dem Frühstück auf den Weg.

Ihre

Dorrit Bartel

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