Schreiben in der Corona-Krise oder: Fifty ways to kill the virus

Wie sich das Virus besiegen lässt? Ich habe lange darüber nachgedacht.

Erstens: Enthaupten. Ihm den Kopf abbeißen, wie dem Schokohasen, der bis gestern auf meinem Nachttisch vor sich hin staubte. Zuerst die Ohren, dann den ganzen Kopf. Wo auch immer bei dem Vieh der Kopf ist.

Zweitens: Vierteilen. Vier von diesen … Zippeln, die es überall hat,an je einen Gaul binden und die Gäule losscheuchen.

Drittens: Ertränken. Die Zippel in Zement gießen und ab zu den Fischen.

Viertens: Es begnadigen, an Thanksgiving. Am nächsten Tag wieder entgnadigen. Guckt es doof.

Fünftens: Es sich totfressen lassen. An Dosenspaghetti in Tomatensoße ‒ Quizfrage zwischendurch: Aus welchem Film ist das? Wer es errät, kriegt einen Gratistest. Aber nur, wenn er in der letzten Woche mit zwölf nachweislich Infizierten zum Fledermauswettessen in einer vermieften Einzimmerwohnung eingeladen war.

Sechstens: Ersäufen. Hatten wir zwar schon, siehe drittens, aber diesmal nehmen wir Brennnesselsud. Auf den Rücken, Handtuch drüber, aus einer Gießkanne den Sud aufs Tuch kippen, bis er dem Vieh in die feinsten Verästelungen der… Wie? Es hat keine Lunge, geschweige denn Verästelungen? Macht nichts. Ersäufen.

Siebtens: Ersticken. Habe ich mal in einem Tatort gesehen. Oder einem Polizeiruf? Maul aufsperren, Bauschaum reinsprühen, Maul zukleben. Wo auch immer bei dem liebreizenden Tierchen … ach, egal.

Achtens: In die Waschmaschine mit ihm! Bei neunzig Grad kochen, extralang schleudern. Beim Festklammern auf der Leine nicht vergessen, die Augenlider (?) abzuschneiden und das Gesicht (?) zur Sonne auszurichten.

Neuntens: Verbrennen. Eine einfache Leselupe reicht aus. Wie meine beste Freundin M. früher, als wir klein waren: Mit der Lupe einen Sonnenstrahl einfangen und mit dem Brennpunkt immer der flüchtenden Ameise hinterher: Zisch! Ich gezetert: Kannst du doch nicht machen! Konnte sie wohl.

Zehntens, apropos liebe Kindheitserinnerungen: Vergiften. Es durch eine Pfütze von Muttis Back-Kirschwasser schicken. Kein kleines Lebewesen mag es, wenn es durch eine Kirschwasserpfütze geschickt wird. Ach was, vergessen Sie die Pfütze. Injizieren Sie den Schnaps. Also, dem Vieh natürlich. Die Wissenschaftler sollten wirklich einen Weg finden, diesem grässlichen Virus irgendwas zu injizieren. Woher ich so viel darüber weiß? Nun, wie ich schon sagte, ich habe ausgiebig darüber nachgedacht. Darauf ein Tässchen Chlorbleiche!

Erstechen. Erschießen. Erwürgen. Den Ehemann fragen, gleich beim Frühstück, dem fällt bestimmt auch noch was ein.

Seine Antwort bestürzt mich. „Wie bitte? Du willst ihm mit einer stumpfen Nagelschere die ‒ uh. Wie gemein. What? Lieber abquetschen? Mit der Rohrzange, und dann verbluten lassen? Ha, ich weiß, aus welchem Buch du das hast! Aber woher willst du wissen, wo bei dem Vieh die … Aber danke, Schatz, sehr eindrücklich.“

Warum ich mich in all diesen schrecklichen Tötungsfantasien ergehe? Weil ich es kann. Ich bin die Autorin. Ich habe diesen Text mit dem Blut des Virus geschrieben, nachdem ich es wie eine Zitrone ausgepresst habe. Und wie alle Autoren versuche ich, mit meinen bescheidenen Mitteln, die Welt ein wenig zu verändern. Wie bitte? Ja, natürlich zum Guten. Sowieso, jetzt sind Sie dran. Es sind erst bummelige fünfzehn Todesarten, und ich bin ein wenig erschöpft. Also, an alle da draußen: Weiter schreiben. Lassen Sie alles an Gewaltpotential raus, was in Ihnen schlummert. Werfen Sie das Vieh in den Mixer und schlagen Sie es auf höchster Stufe schaumig, bis ein Messerschnitt sichtbar bleibt. Skalpieren Sie es, pürieren Sie es, vivisezieren Sie es. Alles ist erlaubt, Sie brauchen sich für nichts zu schämen.

In diesem Sinne: Fuck Corona. Schreiben hilft. Bleiben Sie gesund.

Ihre Kristin Lange

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