Tête-à-Tête

Cordulas Liebesgeschichte

In der alten Kneipe schien die Zeit vor vierzig Jahren stehengeblieben zu sein. Möbel und Theke schimmerten in einem dunklen Braun, während die Kugellampen noch im typisch orangen 70er-Jahre-Look von der Decke baumelten. Die Wände, ebenfalls orangefarben gestrichen und durch jahrzehntelangen Zigarettenrauch und unzählige Berührungen mit einer dunklen Patina behaftet, waren mit Postern vergangener Rockkonzerte und etlichen Instrumenten, vom Banjo bis zur E-Gitarre, dekoriert.

Sie saßen in einer Nische; auf einer Bank, die mit sprödem Kunstleder gepolstert war. Kein moderner Schick, kein verspieltes Chichi, irgendwie urig und gemütlich. Ebenso wie Henning bestellte sie ein Glas Bier und beobachtete anschließend das Treiben um sie herum. Einzelne Paare und Gruppen junger Leute suchten sich Plätze an den die Tanzfläche umgebenden Tischen, unterhielten sich angeregt, flirteten miteinander oder begrüßten sich mit großem Hallo. Der Geräuschpegel war hoch.

„Schön hier, oder?“, fragte Henning.

Sie nickte und schaute sich ein weiteres Mal um. Noch war sie nicht bereit, ihm tief in die Augen zu schauen.

Er saß dicht neben ihr, über Eck, und sein Aftershave strömte ihr wohltuend in die Nase. Sie musste sich bremsen, nicht näher an ihn heranzurücken, zumindest ihr Knie gegen seines zu lehnen. Stattdessen konzentrierte sie sich auf ihren galoppierenden Herzschlag und bemühte sich um gleichmäßige Atmung.

Betont lässig warf sie ihre Haare zurück und nahm einen weiteren Schluck von ihrem Bier. Auch wenn Henning absolut tabu war, durfte sie doch ein wenig in Gefühlen schwelgen. Wie hieß es so schön? Die Gedanken sind frei. Und so lange sie ihre Gefühle für sich behielt, tat sie niemandem weh.

Sie schielte kurz zu ihm hinüber. Der Orangeton der Lampe hatte ein frisches Rot auf seine Wangen gezaubert und sein Haar war wieder so zerzaust, dass sie am liebsten mit beiden Händen hindurchfahren würde. Aber dazu war jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt.

Die Musik setzte ein. Bereits die ersten Takte von Queens We will rock you zog die Paare auf die Tanzfläche, über der sich stilecht eine silberne Discokugel drehte.

Die Musik war laut, die Leute klatschten enthusiastisch den Rhythmus und stampften mit den Beinen. Keine Möglichkeit mehr, sich miteinander zu unterhalten.

Sie spürte Hennings Hand auf ihrer Schulter, widerstand der Versuchung unter der Berührung dahinzuschmelzen und wandte sich ihm zu. Der intensive Blick aus seinen blauen Augen brannte sich in ihre Seele.

Sie schluckte, ehe sie sein Lächeln erwiderte, ihre Hand sanft auf seine Wange legte und mit dem Daumen über das Grübchen strich, das sich an seinem rechten Mundwinkel gebildet hatte. Raue Bartstoppeln prickelten unter ihren Fingerspitzen und verstärkten das Kribbeln in ihrem ganzen Körper.

Als er in ihr Haar griff, sich eine der langen blonden Strähnen locker um den Finger wickelte, hielt sie die Luft an und ließ sich sanft zu ihm hinüberziehen. All ihre Sinne waren ihm schutzlos ausgeliefert. Sie hörte weder Musik noch Klatschen, roch nichts außer der betörenden Mischung von Hennings Aftershave und seinem ureigenen Duft, sah nichts als die kleinen braunen Flecken in seiner blauen Iris. Sie spürte seinen warmen Atem, als er sich zu ihr hinüberneigte und seufzte leise auf, als er ihre Lippen mit seinen verschloss.

„Cut!“, ertönte es aus dem Off.

Teilen: